Maibaumstellen und Maibaumwerfen: Wie sich Frühlingstraditionen in Ober- und Niederlausitz unterscheiden

Ähnlich, aber nicht gleich: Die Traditionen rundum den Maibaum unterscheiden sich in Ober- und Niederlausitz mehr, als man zunächst denkt. Wir haben mit Richard Hausch Haws aus Panschwitz-Kuckau, Ole Schmalfuß aus Sielow und Tobias Unger, dem Jugendkoordinator der Domowina, über die verschiedenen Bräuche gesprochen.

Von: Redaktion "Sorbisch? Na klar."

Was hat es mit dem Maibaum auf sich?

Beim Maibaum handelt es sich um einen 20 bis 30 Meter langen, entästeten Baumstamm, meist der einer Birke oder eines Nadelbaumes, der je nach Region unterschiedlich geschmückt wird. Oft finden sich in der Gestaltung landes- bzw. ortstypische Farben oder Motive wieder. Zur Dekoration werden Bänder aus Stoff, Krepppapier und Girlanden verwendet. Auf dem Haupt des Maibaums thront in der Lausitz meist eine mit Bändern geschmückte junge Birke.

Pünktlich aufgestellt zu Walpurgis

„Das Aufstellen übernehmen die Dorfjugend und Ortsgruppen oder Vereine“, erklärt Tobias Unger, Jugendkoordinator der Domowina. Traditionell wird der Maibaum am 30. April (Walpurgis) oder am 1. Mai auf dem Dorfplatz oder einem anderen zentralen Ort aufgestellt.

Hierfür wird eigens eine Grube vorbereitet, in die der Baum dann – manchmal mit Unterstützung der Freiwilligen Feuerwehr – eingelassen wird. „Das geschieht entweder per Hand und mit vielen Seilen oder mit einem Kran“, so Tobias Unger. Als Jugendlicher war er mit seinen Freunden selbst am Aufstellen beteiligt: „Für mich ist das eine schöne Tradition, bei der am Ende das ganze Dorf zusammenkommt.“

Das Maibaumwerfen: Eine Besonderheit in der Oberlausitz

In der Oberlausitz wird der Maibaum traditionell am 30. April aufgestellt. „Bei uns in Panschwitz-Kuckau organisiert die Dorfjugend das komplett allein“, so Richard Hausch Hawš aus Panschwitz-Kuckau / Pančicy-Kukow. „Das Aufstellen machen wir ganz traditionell mit Seilen, da braucht es schon ein paar Leute für.“

Jugendliche stellen den Maibaum in Panschwitz-Kuckau auf / Bildrechte Richard Hausch Hawš

Die wichtigere Tradition ist in der Oberlausitz jedoch das Maibaumwerfen. „Dafür treffen sich alle auf dem Dorfplatz oder eben dort, wo der Maibaum steht. Das Datum ist nicht festgelegt, aber bei uns ist es meist das erste oder zweite Wochenende im Mai“, erzählt Richard Hausch Hawš.

Gemeinsam werden sorbische Volkslieder gesungen und natürlich auch getanzt, selbstverständlich in sorbischer Tracht. „Hier tanzen verschiedene Altersgruppen mit, sogar die Kindergartenkinder“, erklärt er weiter. Da alle von Anfang an und mit der ganzen Familie dabei sind, wird das Maibaumstellen im Laufe der Zeit ganz selbstverständlich zu einer geschätzten Kindheitserinnerung.

Der Maikönig wählt seine Königin aus. / Bildrechte: Darius Buder.
Der Maikönig wählt seine Königin aus. /
Bildrechte: Darius Buder

„Wirklich geworfen wird der Baum aber natürlich nicht, eher umgestoßen“, verrät Richard Hausch Hawš. „Das Werfen übernehmen die Jungs, der Rest schaut dabei zu. Sobald der Baum fällt, laufen alle nach vorne. Wer zuerst bei der Krone ist und sich ein Fähnchen schnappt, ist in diesem Jahr der Maikönig. Traditionell darf der Maikönig unter den Tänzerinnen seine Maikönigin auswählen.“ Das Paar ist dann auch beim folgenden Fest anwesend.

Tanz von Maikönigin und Maikönig. / Bildrechte: Darius Buder

Das Maibaumstellen: In der Niederlausitz besonders wichtig

„Das Aufstellen des Baumes ist bei uns der wirklich wichtige Teil“, erklärt Ole Schmalfuß von der Domowina-Jugend aus Sielow/Žylow, einem Ortsteil von Cottbus/Chóśebuz. „Das Maibaumwerfen kennt man zwar oft, aber mir ist kein Dorf in der Niederlausitz bekannt, in dem das gemacht wird.“

Nach dem Aufstellen steht der Baum manchmal bis Pfingsten, traditionell bis Johanni, den 24. Juni. Das Abnehmen des Baumes sei nicht immer mit Feierlichkeiten verbunden, mancherorts wird der gefällte Baum aber versteigert. Das ist jedoch nicht immer der Fall, da viele Orte denselben Baumstamm über Jahre lagern und mehrfach verwenden.

Aufstellen des Maibaums in Sielow / Bildrechte: Jugend Sielow
Aufstellen des Maibaums in Sielow / Bildrechte: Jugend Sielow

In Sielow teilen sich die Domowina-Jugend, die Schlepperfreunde und die Freiwillige Feuerwehr zudem alle Aufgaben; es ist ein Gemeinschaftsakt, den Baum erst versteckt zu halten und dann aufzustellen. Einmal sei beim Aufstellen ein Kran zum Einsatz gekommen. Durch das beschleunigte Verfahren ging der feierliche Charakter jedoch verloren. „Jetzt machen wir das wieder selbst und ganz traditionell“, sagt Ole Schmalfuß.

Zu den üblichen Bräuchen gehört ebenfalls, dass der Baum gestohlen oder in der ersten Nacht gefällt werden kann – beispielsweise von der Jugend aus dem Nachbarort. Manchmal gibt es deshalb eine Nachtwache für den Baum.

Ob die Augen tatsächlich die ganze Nacht offenbleiben, ist allerdings unterschiedlich: „Die Feierlichkeiten nach dem Aufstellen gehen ja meistens so lange, dass der Baum sicher ist. In manchen Dörfern wird darüber hinaus die ganze Nacht aufgepasst, das machen aber nicht alle.“ Bisher sei bei ihnen in Sielow noch kein Baum abhandengekommen. Passiert das doch, muss der Baum bei den Dieben ausgelöst werden, so ist es Tradition.

Das ist bei allen gleich: Die Gemeinschaft zählt

Wer sich mit dem Maibaumbrauchtum beschäftigt, stellt eines schnell fest: Ungeachtet der feinen Unterschiede geht es vor allem um Gemeinschaft. Die jungen Menschen treffen sich bereits zu den Vorbereitungen in der Gruppe und übernehmen gemeinsam Verantwortung.

Auch das eigentliche Aufstellen ist ein gemeinschaftlicher Akt und gefeiert wird in der Regel in großer Runde mit Tanz und Musik – im sorbischen Siedlungsgebiet natürlich auf Sorbisch. Auch Gäste sind zu diesem Anlass gerne gesehen. Wärst du gerne mal dabei? Unter anderem findest du im sorbischen Veranstaltungskalender immer Hinweise auf regionale Feierlichkeiten.

5 obersorbische Vokabeln passend zum Maibaumbrauchtum:

  • Maibaum – meja
  • Maibaumwerfen – mejemjetanje
  • Den Maibaum aufstellen – meju stajić
  • Birke – brěza
  • Baum –  štom

Mehr Informationen rund um das Maibaumbrauchtum:

Andere wichtige Bräuche und Traditionen:

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Gibt es denn etwas, das du dir für die sorbische Sprache wünschen würdest?

Ich würde mir wünschen, dass die Sprache nicht verloren geht. Manchmal macht es mich echt nachdenklich, wenn drei Freunde, die eigentlich alle Sorbisch können, nur noch Deutsch miteinander sprechen.
DJ Madstep
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