Osterbräuche – Man muss das einfach erleben, nicht erzählen: Ein Interview mit Andrea Pawlikowa/Paulik.

Andrea Pawlikowa/Paulik ist Kuratorin im Sorbischen Museum in Budyšin/Bautzen und hat mehrere Beiträge rundum das Brauchtum zu Ostern in der Lausitz publiziert. Wir haben mit ihr darüber gesprochen, welche Bedeutung das Osterfest für die sorbische Gemeinschaft hat und wie sich Bräuche mit der Zeit entwickeln.

Von: Josi Altmann

Frau Pawlikowa/Paulik, was können Sie uns über die Bedeutung von Ostern für die Sorben erzählen?

„Zunächst ist Ostern natürlich das wichtigste Fest der Christen. Es ist aber auch eng mit dem Frühlingsbrauchtum verknüpft. Das Frühjahr ist und war die brauchtumsreichste Zeit, natürlich auch wegen der wichtigen Bedeutung für die Landwirtschaft. Da es eine Zeit der Hoffnung und Freude ist, sind die meisten Frühlingsbräuche fröhliche Bräuche. Das erkennt man auch an der Farbenpracht. Aber vor allem das Gemeinschaftsgefühl spielt eine wichtige Rolle, das ist auch bei den Bräuchen so, die heute als sorbische Osterbräuche bekannt sind. Grundsätzlich sind das jedoch Bräuche, die in ganz Europa gepflegt wurden. Vieles, was andernorts nicht mehr gelebt wird, hat sich in der Lausitz jedoch bis heute gehalten.“

Welche sorbischen Bräuche sind besonders bekannt?

„Die sorbischen Ostereier sind besonders bekannt. Hier hat im Laufe der Zeit eine gewisse Kommerzialisierung stattgefunden. Inzwischen gibt es zahlreiche Ostermärkte, die für Touristen gedacht sind und nicht für die Menschen vor Ort. Früher wurden die Ostereier geweiht und später gegessen, dadurch entfaltete sich der Segen. Heute handelt es sich eher um Dekorationsgegenstände, die aufgehangen oder in Schalen gelegt werden. Die Verzierungen haben sich insofern verändert, dass die Muster filigraner geworden sind.

Auch das Eierschieben in Bautzen auf dem Protschenberg und natürlich das Osterreiten am Ostersonntag zählen zu den bekannten Bräuchen und sind inzwischen auch Touristenmagnete. 2014 haben wir im Sorbischen Museum Bautzen eine Sonderausstellung mit dem Titel „Osterbräuche – zwischen Erbe und Event“ gezeigt, die genau das zum Thema hatte: Einstige und heutige Osterbräuche in der Lausitz sowie ihre Bedeutung für die Gemeinschaft.“

Ostereier in der traditionellen Wachsbatiktechnik und Bossiertechnik von Roswitha Baumert | Foto A. Paulik
Ostereier in der traditionellen Wachsbatiktechnik und Bossiertechnik von Roswitha Baumert | Foto A. Paulik

Gibt es Bräuche, die heute eher unbekannt sind?

Brauchtum unterliegt einem ständigen Wandel. Das Karklappern kennt man in den sorbischen katholischen Kirchenorten. Dabei ziehen Jungen und heute teils auch Mädchen mit Klappern von Kreuz zu Kreuz und beten das Angelusgebet. Das Ostersingen in den evangelischen Dörfern ist gerade wieder etwas bekannter geworden, war aber lange beinahe verschwunden. Dabei ziehen Mädchen, heute auch Frauen in der Passions- und Osterzeit singend durch das Dorf. Das Osterwasser wurde am frühen Ostermorgen aus einem Gewässer in der Nähe geschöpft, meist von unverheirateten jungen Frauen. Das wird heute auch nur noch selten gepflegt.

Klapperjungen vor einem Wegekreuz in Panschwitz-Kuckau | Foto A. Paulik
Klapperjungen vor einem Wegekreuz in Panschwitz-Kuckau | Foto A. Paulik

Auch einige andere Traditionen der Karwoche sind vielerorts gänzlich in Vergessenheit geraten. Am Palmsonntag (Anm. Redaktion: Beginn der Karwoche) werden Palmzweige geweiht, früher hat man sie dann am 30. April auf das Feld getragen. Wenn die Taufpaten heute zu Ostern das Patengeschenk geben, dann handelt es sich dabei oftmals auch nicht mehr um das traditionelle Ostergeschenk. Das sind drei gefärbte Ostereier, und die sogenannte Patensemmel. In einigen Gemeinden wird diese tatsächlich wieder beim Bäcker angeboten, oft werden heute aber auch andere Süßigkeiten, Kleidung und Spielsachen verschenkt.“

Warum geraten Bräuche in Vergessenheit?

„Viele Bräuche haben einen bäuerlichen oder religiösen Ursprung. Es arbeitet aber kaum noch jemand in der Landwirtschaft und viele sind auch nicht mehr getauft, dadurch geht der Bezug verloren. Jede Generation muss Bräuche und Traditionen neu für sich erschließen. Manche Bräuche verschwinden für eine Weile, sind dann aber wieder im Kommen, so wie die Patensemmel oder das Ostersingen. Gesellschaftliche oder wirtschaftliche Ereignisse können ebenso zu Veränderungen führen. Die Pandemie hatte hier zuletzt großen Einfluss. In den vergangenen zwei Jahren konnten viele Bräuche nicht gelebt werden. Nicht alle Menschen haben diese jetzt wieder aufgenommen. Es gibt vermutlich weniger Osterreiter in diesem Jahr aus mehreren Gründen u. a. da das Ausleihen der Pferde teurer wurde.

Osterreiter | Foto A. Paulik
Osterreiter | Foto A. Paulik

Einige Bräuche finden aber auch bewusst im Privaten statt und sind nicht für eine breite Öffentlichkeit bestimmt, sondern für Familie und Freunde. Ostern ist eine Zeit des Beisammenseins, Bräuche werden deshalb gemeinsam gepflegt. Man muss das einfach erleben und nicht erzählen.“

 

Weiterführende Informationen:

Das Sorbische Museum Bautzen

Sorbisches Osterreiten

Wie klingt Ostern auf Sorbisch? – Felix Räuber über die Sprache und Musik der Sorben

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Was wünschen Sie sich für das Schleifer Sorbisch?

Was man jetzt nicht erhält, wird auch in der Zukunft nicht mehr da sein. Jemand, der jetzt die Sprache spricht, sollte sie deswegen auch weitergeben. Denn jede Sprache ist ein Schatz, den wir bewahren sollten.
Juliana Kaulfürst
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