Darum stirbt eine Sprache aus unserer Heimat aus.

Wortwechsel mit Juliana Kaulfürst, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Sorbischen Institut in Bautzen

Am rustikalen Wohnzimmertisch von Julianas Familie haben wir sehr aufmerksam ihrer Familiengeschichte gelauscht. Nun kamen wir zu dem eigentlichen Grund unserer Reise nach Schleife, dem Schleifer Sorbisch.

 

Von: Manuel Wagner

Uns lässt die Frage nicht los, wie es heutzutage sein kann, dass mitten in Deutschland eine Sprache im Begriff ist, auszusterben. Juliana Kaulfürst erklärte uns aus fachlicher Perspektive die Hintergründe.

Frau Kaulfürst, wie dramatisch steht es um das Schleifer Sorbisch?

Neben dem Nieder- und Obersorbisch ist das Schleifer Sorbisch am meisten bedroht. Die Sprache wird eigentlich nur noch von Leuten gesprochen, die über 75 Jahre sind. Mit den wenigen älteren Menschen, die noch Schleifer Sorbisch sprechen, wird wohl auch die Sprache sterben.

Was unterscheidet die Sprache von Obersorbisch?

Schleifer Sorbisch ist weder Ober- noch Niedersorbisch, es liegt eigentlich komplett in der Mitte. Es hat Elemente vom Obersorbischen und Niedersorbischen und einige eigene Elemente.

Aber wie kann es dazu kommen, dass eine Sprache einfach ausstirbt?

Früher wurde in den Schleifer Dörfern fast ausschließlich Sorbisch gesprochen. Die Sprache wurde nach dem Zweiten Weltkrieg (1939-1945) jedoch nicht an junge Leute weitergegeben. Das lag neben anderen gewichtigen Gründen auch daran, dass Deutsch bald als moderner galt. Ich bekomme von den älteren Frauen erzählt, dass sie aufgrund ihrer Trachten und der Sprache auch negative Reaktionen bekamen. Das ging so weit, dass sie zuerst die Trachten abgelegt haben und dann irgendwann auch die Sprache.

Hätten sie nicht zu Hause weiter Schleifer Sorbisch sprechen können?

In der Zeit des Nationalsozialismus wurde das Sorbische unterdrückt, die Kinder durften in der Schule kein Sorbisch sprechen. Lehrer wurden weggeschickt, die Sorbisch gesprochen haben. Es ging so weit, dass das Schleifer Sorbisch nur von wenigen, sehr mutigen Leuten zu Hause gesprochen wurde. Die meisten haben die Sprache nicht mehr gesprochen.

Hier geht es zur Seite des Sorbischen Instituts.

Und hier gibt es noch ein paar mehr Informationen zu Schleife.

Auf dieser Seite erfährst du mehr über die Dokumentation des Schleifer Sorbisch.

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Das klingt dramatisch. Wird denn nichts dagegen getan?

Es gibt zwar Bemühungen, die Sprache am Leben zu halten, zum Beispiel durch Chorgruppen, Themenabende und die Herausgabe von Büchern. Aber für die Sprache als gesprochene Sprache im Alltag sieht es leider sehr schlecht aus. Das ist sehr schade, weil Schleifer Sorbisch eine sehr klangvolle Sprache mit vielen Besonderheiten ist.

Warum beschäftigen Sie sich denn mit einer Sprache, die kaum jemand mehr spricht?

Ich bin jetzt seit zehn Jahren in Schleife und mein Herz ist mit dieser Sprache verwachsen. Ich jedenfalls habe einfach mein Herz an die Region und Sprache verloren. Die Leute haben mir ihre Türen geöffnet und ihre Geschichten mit mir geteilt. Die Sprache der Schleiferinnen und Schleifer ist wirklich toll. Deshalb beschäftige ich mich beruflich mit dem Thema.

In welchem Beruf beschäftigt man sich denn mit dem Sorbischen?

Ich habe insgesamt neun Jahre als Koordinatorin beim Bund Lausitzer Sorben in Schleife gearbeitet. Dort habe ich außerschulische Projekte im Kirchspiel Schleife betreut und mich intensiver mit der Sprache beschäftigt. Seit 2019 bin ich wissenschaftliche Mitarbeiterin am Sorbischen Institut in Bautzen. Das Schleifer Sorbisch ist dabei mein Forschungsschwerpunkt.

Gibt es noch Hoffnungen, dass das Schleifer Sorbisch nicht ausstirbt?

Das Schöne ist, dass es doch noch Menschen gibt, die Schleifer Sorbisch sprechen. Und das ist das Wichtigste, dass man mit diesen Menschen noch ins Gespräch kommt, wie ich es zum Beispiel über meine Jahre dort gemacht habe.

Was wünschen Sie sich für das Schleifer Sorbisch?

Was man jetzt nicht erhält, wird auch in der Zukunft nicht mehr da sein. Jemand, der jetzt die Sprache spricht, sollte sie deswegen auch weitergeben. Das gilt für das Schleifer Sorbisch genauso wie für das Ober- und Niedersorbisch. Darum lautet meine Botschaft: Sprecht die Sprache, um sie lebendig zu halten. Denn jede Sprache ist ein Schatz, den wir bewahren sollten.

Beitragsbild: Juliana Kaulfürst (Foto: Redaktion)

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Was wünschen Sie sich für das Schleifer Sorbisch?

Was man jetzt nicht erhält, wird auch in der Zukunft nicht mehr da sein. Jemand, der jetzt die Sprache spricht, sollte sie deswegen auch weitergeben. Denn jede Sprache ist ein Schatz, den wir bewahren sollten.
Juliana Kaulfürst
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