Warum diese Sprache Leben rettet.

Auf den ersten Blick ist Juliana Kaulfürsts Interesse am Sorbischen wenig auffällig. Aufgewachsen ist sie in Bautzen und wurde „natürlich zweisprachig“ erzogen, wie sie selbst sagt. Sie sprach im Kindergarten Sorbisch, besuchte eine sorbische Grundschule und ein sorbisches Gymnasium.

 

Von: Josi Altmann

Ihre Liebe zur Sprache führte dazu, dass sie in Dresden Slawistik studierte, sich also wissenschaftlich jener Sprachfamilie näherte, der das Sorbische angehört.

Eigentlich, so würde jeder denken, kommt sie aus einer traditionsreichen sorbischen Familie. Doch dieser Eindruck täuscht. Weder Julianas Mutter noch ihr Vater sind mit der sorbischen Sprache aufgewachsen. Ihr Vater Hans-Eberhard hat erst als Jugendlicher Sorbisch gelernt, so wie andere Englisch oder Französisch lernen.

Ihr Vater lernte erst als Jugendlicher Sorbisch

Dass jemand eine neue Sprache lernt, ist an sich nichts Ungewöhnliches. Viele Spracheninteressierte orientieren sich allerdings an Weltsprachen wie Englisch, Französisch oder Spanisch, mit denen sie auch einen breiten Kreis an Personen haben, mit denen sie sich austauschen könne. Dass ein deutscher Muttersprachler, der als Kind kein Sorbisch gelernt hat, selbst diese Sprache Jahre später lernt, ist da schon etwas Besonderes.

Juliana Kaulfürst wuchs zweisprachig auf. ( Foto: privat)

„Mein Vater hatte als Jugendlicher von der sorbischen Sprache gehört und einfach Lust gehabt, die Sprache zu lernen“, erinnert sich Juliana. „Zunächst hat er sich selbst Material beschafft wie Lieder und Texte, für sein Medizin-Studium ist er nach Leipzig gegangen und hat dort in einem sorbischen Internat gewohnt und Sorbisch gesprochen.“

So kam es, dass ihr Vater zu Studienzeiten fließend Sorbisch sprechen konnte. Er ging dann nach Bautzen, um dort auch auf Sorbisch als Arzt zu praktizieren. Ihm war es wichtig, die Muttersprache seiner Patientinnen und Patienten zu sprechen, um so ihr Vertrauen zu gewinnen. „Es ist wirklich eine grandiose Sache, dass er extra dafür und ganz alleine Sorbisch gelernt hat. Wir bewundern ihn dafür heute alle“, so Juliana.

Von Anfang an zwei Sprachen

Julianas Mutter Petra geht das Sorbisch weniger leicht über die Zunge. Sie verstehe zwar die Sprache, spreche sie aber nicht gut und habe, nach eigener Aussage, kein Talent für Sprachen. Das hat aber nichts daran geändert, dass sich Julianas Eltern entschieden haben, ihre fünf Kinder zweisprachig zu erziehen. „Mein Vater hat nur Sorbisch mit uns gesprochen und meine Mutter nur Deutsch“, erinnert sich Juliana und lächelt.

Dass ihre Eltern ihr Sorbisch beigebracht haben, weiß sie zu schätzen: „Sorbisch ist einfach eine großartige Sprache.“ Ihre Liebe zur Sprache hat dahin geführt, dass sie auch beruflich die sorbische Muttersprache bewahren will. Im Interview sagt sie über ihre Motivation: „Was man jetzt nicht erhält, wird auch in der Zukunft nicht mehr da sein. Jemand, der jetzt die Sprache spricht, sollte sie deswegen auch weitergeben.“ Ihre Eltern haben dafür mit Sicherheit den Grundstein gelegt.

Wikibooks zeigt dir Zahlen und obersorbische Sprüche.

Auf soblex findest du ein Deutsch-Sorbisches Wörterbuch für schnelle Übersetzungen:

Ob Anfänger*in oder Muttersprachler*in, auf diesen Seiten findest du nützliche Informationen, um Sorbisch zu lernen.

Das WITAJ-Sprachzentrum Bautzen bietet Sorbisch-Kurse für jede Altersklasse.

Diese Seite ist nicht nur etwas für Lehrende, alle Interessierten können hier in 100 Sekunden Sorbische Redewendungen lernen.

Die Sorabistik an der Universität Leipzig forscht und lehrt zu den sorbischen Sprachen, Kulturen und Literatur.

Zweisprachigkeit als Segen

Julianas empfindet ihre Zweisprachigkeit einfach als Segen: „Wer mit zwei Sprachen aufwächst, kann zum Beispiel auch andere Sprachen schneller erlernen. Das erweitert einem die Möglichkeiten, verschiedene Dinge zu tun.“ Heute befasst sie sich sogar beruflich mit der Sprache und forscht am Sorbischen Institut zum Schleifer Sorbisch. Und auch ihr Vater Hans-Eberhard ist zufrieden, dass er Sorbisch gelernt hat: Denn die Sprache ist der Schlüssel zum Herzen der Menschen.

Julianas Vater hat früher als Jugendlicher Sorbisch gelernt, ohne dass bei ihm zu Hause die Sprache gesprochen wurde. Als wir diese Geschichte hörten, blitze bei uns sofort die Frage auf, ob es auch heute noch Jugendliche gibt, die mit Deutsch als Muttersprache aufgewachsen sind und trotzdem Sorbisch lernen. Ich fing gleich nach dem Interview mit Juliana Kaulfürst an zu recherchieren und fand einen Artikel über Annika, mit der wir einen Gesprächstermin vereinbarten. Wo? In der Oberschule Wittichenau. Denn hier wird Sorbisch auch in der Schule gelehrt.

Beitragsbild: In der Gemeinde Schleife gibt es viel zu entdecken. (Foto: privat)

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Gibt es etwas, das du dir für die sorbische Sprache als Besonderheit der Lausitz wünschen würdest?

Es wäre schön, wenn das Interesse an der Sprache erhalten bleibt und auch bei Menschen geweckt wird, die in der Lausitz wohnen und die Sprache bisher noch nicht sprechen.
Lubina Jeschke
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