„Man muss authentisch, nicht folkloristisch sein“: Im Gespräch mit Monika Lukasch/Mónika Lukašowa

Monika Lukasch/Mónika Lukašowa lebt ihr Sorbisch-Sein. Und das so umfassend, unübersehbar und wohlschmeckend wie es schöner kaum vorstellbar ist: In der Kulinarik in ihrem Restaurant „WJEBLIK, in ihrer Arbeitskleidung“, der sorbischen Tracht, und häufig genug auch als inoffizielle Stadt- und Sorben-Botschafterin in ihrem Heimatort Bautzen/Budyšin. Und bei denen, die sie verstehen, gern auch mit einem Schnack in ihrer Muttersprache Sorbisch. 

Von: Redaktion "Sorbisch? Na klar."

In ihrem „kleinen Gewölbe“, so die deutsche Übersetzung des Restaurantnamens „WJEBLIK“, ist Monika Lukasch/Mónika Lukašowa in ihrer eigenen „Blase“: „Unsere Gäste wollen sich verwöhnen lassen. Es soll nett und eine Auszeit vom Alltag sein.“ Zu diesem Eintauchen in einen Wohlfühlkosmos gehören die frisch gekochten Speisen aus regionalen Produkten, wie das „Sorbische Hochzeitsessen“ mit einem im Wurzelsud gegarten „Falschen Filet“ vom Rind mit Spreewälder Meerrettichsoße, mit saisonalem Marktgemüse und „typischerweise mit Brot“ zum Hauptgang, wie sie verrät. Petersilienkartoffeln sind eine Alternative und stehen mit auf der Karte.  

Denn „die“ sorbische Küche gibt es nicht. „Vom Prinzip her ist es eine regionale Küche“, sagt die gelernte Köchin, Patissière und studierte Hotelbetriebswirtin. „Sie hat sich aus der bäuerlichen Küche in der Lausitz entwickelt, aus dem, was das Feld hergab.“ Vielleicht erleben so der Haferbrei oder Produkte wie Pastinaken, Rauke oder Hülsenfrüchte eine zeitgenössische, verfeinerte und produktfokussierte Renaissance auf der „WJEBLIK“-Karte? Vegetarische oder an Allergien angepasste Gerichte sind normal und machbar, nicht zuletzt, weil Ehemann Thomas ebenfalls Koch und Fleischermeister ist, alle Bestandteile eines Gerichtes selbst zubereitet und so flexibel ist.  

Das Logo WJELBIK
Das Logo des Restaurants WJELBIK in Bautzen (Bildrechte: Monika Lukasch).

 

Gleichberechtigte Nachbarn: Altbautzener Holunderkaltschale und Mascarponemousse  

Die Zeit bleibt nicht stehen, die Traditionen passen sich an. Manchmal ist der Zeitpunkt, an dem aus einem beliebten Gericht ein „Signature Dish“ und eine Tradition wurde, sogar genau zu bestimmen: „Typisch sorbische Desserts gibt es historisch gesehen nicht, man hatte lange keine Kühlmöglichkeiten“, erklärt Monika Lukasch/Mónika Lukašowa. Am ehesten seien es die Blechkuchen mit Mohn, Klecksen, Streuseln oder die Eierschecke, die auch heute noch gern bestellt werden. „Meine Eltern haben die ‚Altbautzener Holunderkaltschale‘, eine Holundersuppe mit luftiger Quarkmousse, entwickelt, damit sie Reisegruppen ein passendes Dessert anbieten konnten.“ Veronika und Stefan Mahling übernahmen das „Wjelbik“ im Zentrum von Bautzen/Budyšin 1991 in Selbstständigkeit. Zuvor war es in der damaligen DDR unter anderem eine Künstlergaststätte, in die nicht jeder hineindurfte.  

So öffnete sich das „WJEBLIK“ nach der Wende zunächst für die Einheimischen. Die sind längst Stammgäste, kehren gern etwa auf ein gebratenes Karpfenfilet aus den Lausitzer Teichen ein. Oder ordern die mit Kalbfleisch gefüllte Sorbische Rinderroulade mit Pommery-Senfsauce, Rotkraut und hausgemachten Serviettenknödeln – „ein wirklich festliches Essen“ – gern auch zu Familienfeiern. Und weil die Welt im Kleinen ebenso wie im Großen kulinarisch immer offen ist, helfen Frankreich und Italien in der Dessertfrage mit einer Crème Brȗlée und Mascarponemousse aus, die gleichberechtigt neben Holunderkaltschale und karamellisiertem Rhabarberkompott auf der Karte stehen.  

„Wir hätten überall arbeiten können“ 

Monika und Thomas Lukasch/Lukašowa haben mit ihren Ausbildungen und Berufen beide von Bautzen aus die Welt erkundet und kennengelernt: Monika Lukasch/Mónika Lukašowa ließ sich nach einem Auslandsjahr nach dem Abitur im Elsass zur Köchin ausbilden und ergänzte um eine Pâtisserie-Ausbildung im Sternerestaurant Crocodile in Straßburg. Anschließend studierte sie Hotelbetriebswirtschaftslehre in Heidelberg. Ihr Mann arbeitete nach seinen Ausbildungen auf einem Kreuzfahrtschiff und folgte ihr.  „Es hat sich so gefügt, dass ich diesen Weg gegangen bin. Mein Mann und ich hätten mit unseren Ausbildungen überall arbeiten können“, sagt die Gastronomen-Tochter.  

Die Entscheidung, nach fünf Jahren andernorts mit ihrem Mann 2009 nach Bautzen/Budyšin zurückzukehren, fiel dennoch nicht schwer. Nicht zuletzt, weil perspektivisch die Nachfolge im elterlichen Restaurant anstand. „Mein Mann ist auch Sorbe aus Bautzen und wir haben uns schon in meiner Schulzeit kennengelernt“, sagt Frau Lukasch/Lukašowa. „Das hat vieles einfacher gemacht.“ Das gemeinsame Kulturverständnis verband, ebenso wie ähnliche Berufswege und Arbeitssituationen und natürlich die Liebe zueinander. 

Die gastronomischen Räume von WJELBIK.
Die gastronomischen Räume von WJEBLIK mit Glaskunst-Fenstern (Bilrechte: Monika Lukasch).

Traditionen aufbrechen, aber: Wo ist der Anfang, wo das Ende? 

Während Monika Lukasch/Mónika Lukašowa täglich die Arbeitstracht der katholischen Sorbinnen anlegt, trägt Ehemann Thomas im Alltag seine Berufskleidung als Koch. „Es gibt für die Männer Gehrock und Zylinder, aber nur zu besonderen Anlässen und Festen“, erläutert sie. Bei den Frauen ist das anders. „Die Tracht ist dazu da, dass man sie trägt. Das ist das A und O. Sie ist wirklich meine Arbeitskleidung und wie eine zweite Haut. Es macht mir viel Spaß sie zu tragen.“ Ihre Mutter Veronika hatte seinerzeit die Tracht im Restaurant eingeführt. Monika Lukasch/Mónika Lukašowa wuchs von klein auf in sie hinein. „Man muss lernen, die Tracht anzunehmen.“ Genau so hält sie es mit ihren Töchtern Matilda und Lucia: „Unsere Töchter tragen die Tracht gerne. Wir haben ihnen das spielerisch vermittelt, ohne es ihnen aufzudrängen.“ Praktisch ist die Tracht für Monika Lukasch überdies; der Aufwand, jeden Morgen vor dem Kleiderschrank über adäquate Kleidung nachzudenken, fällt weg. „Ich bin immer schick angezogen, falle immer auf und muss mir unter der Haube um meine Haare und meine Frisur keine großen Gedanken machen. Das ist alles klar definiert.“ 

In Sachen Tracht hält sie es „lieber ein bissel konservativ.“ Sicher gäbe es bei jüngeren Frauen Bestrebungen, die Tracht zu modernisieren. „Die sind einerseits schon richtig cool.“ Einzelne Elemente wie Blaudruck und Muster bleiben beispielsweise erhalten, Röcke werden kürzer, die Ausschnitte gewagter. „Aber das Häubchen geht dann nicht mit richtigen Frisuren.“ Der Wert der Tradition sollte doch geschätzt werden, findet Monika Lukasch/Mónika Lukašowa: „Wo ist dann der Anfang und wo ist das Ende?“  

„Ich würde niemals das Sorbische verkaufen“ 

Klar ist, kein Zustand kann eingefroren werden. Technik und Tradition gehen Hand in Hand. Das Restaurant hat einen Online-Auftritt, ein Reservierungstool und Social-Media-Profile. Es wird schließlich auch nicht mehr auf dem Kohlenofen gekocht oder die frischen Waren wie einst ausschließlich in der naturkühlen „Vorrats- oder Speisekammer“ – so die zweite Bedeutung von „WJEBLIK“ – gelagert. Nur beim Mobilfunkempfang sorgt das ebenerdige, solide, alte Gewölbe häufiger für Abschirmung – das Festnetztelefon ist der sicherste Weg, um Frau Lukasch/Lukašowa und ihr Team zu erreichen.  

„Man muss authentisch, nicht folkloristisch sein“, sagt sie entschieden. „Ich würde zum Beispiel niemals eine Mitarbeiterin in Tracht kleiden, die kein Sorbisch spricht und nicht aus der sorbischen Kultur kommt.“  So kommt es, dass sie als Gastgeberin zurzeit die einzige im Service ist, die sorbisch gekleidet ist. Und ganz gleich, ob Crème Brȗlée oder Holunderkaltschale, Sorbische Hochzeitssuppe oder Sächsischer Sauerbraten aufgetragen werden, ob Monika Lukasch/Mónika Lukašowa mit Einheimischen oder Touristen spricht: „Ich bin Kulturbotschafterin, ich hole die Menschen emotional ab. Die persönlichen Begegnungen und Gespräche zählen.“ Da kann es ebenso um kulinarische Vorlieben, eine Feier oder Gruppenbuchung gehen wie um eine Info zur Altstadt und den Museen oder um eine interessierte Frage zu Bleiglasfenstern, Sprache oder Tracht. „Ich lebe das, ich mache das alles gerne.“ Nur eines geht definitiv nicht für Monika Lukasch/Mónika Lukašowa: „Ich würde niemals das Sorbische verkaufen.“  

Die aktuelle Kampagne des sächsischen Ministeriums für Kultur und Tourismus: 

Plakat der Tourismuskampagne "Kultur.Tourismus.Sachsen:"

Monika Lukasch/Mónika Laukšowa ist eine von mehr als 91.000 Gastgeberinnen & Gastgebern in Sachsen, die jeden Tag für Sachsens Tourismus ihr Bestes geben, um den Gästen einen wunderbaren Aufenthalt und den Einheimischen tolle Erlebnisse zu bereiten. Dank Monika schmeckt Tourismus bei uns in Sachsen. Mehr dazu unter finden Sie hier und in diesem Film.

Alle Informationen zur Kampagne des Freistaates Sachsen „Kultur.Tourismus.Sachsen.“: Startseite – Kultur – Tourismus – Sachsen (bei-uns-in-sachsen.de)

Vokabeln für die Küche und im Restaurant: 

Herd -  kuchinske kachle 

Vorspeise – zakusk, předjědź 

Restaurant – hosćenc 

Koch – kuchar 

Speisekarte – jědźna karta 

Sorbische Rinderroulade mit Rotkraut – Serbska howjaza roulada z čerwjenym kałom  

Holundersuppe – bozankowa poliwka 

Ofen – kachle 

Tisch – blido 

Guten Appetit! – Dajće sebi słodźeć! 

 

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Gibt es etwas, das du dir für die sorbische Sprache als Besonderheit der Lausitz wünschen würdest?

Es wäre schön, wenn das Interesse an der Sprache erhalten bleibt und auch bei Menschen geweckt wird, die in der Lausitz wohnen und die Sprache bisher noch nicht sprechen.
Lubina Jeschke
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