Es geht nicht nur um Fußball, es geht um die Kultur

Jonas, Du wirst als Teil der sorbischen Auswahl bei der Europeada auf dem Platz stehen. Wie ist es dazu gekommen und was bedeutet das für Dich?

Der Trainer der sorbischen Auswahl, Frank Rietschel, ist auch mein Trainer im Verein in Bischofswerda. Deshalb kannten wir uns bereits und er kann mich als Spieler gut einschätzen. Also hat er mich für die Auswahl vorgeschlagen. Außerdem hat sogar schon mein Vater vor einigen Jahren bei der Europeada mitgespielt. Ich habe auch als Kind schon die Spiele der Sorben bei der Europeada verfolgt und 2012, als diese in der Lausitz stattfand, am Spielfeldrand gestanden.

Dieses Jahr wieder selbst auf dem Spielfeld zu stehen mit dem Team ist einfach schön. Es ist ein Gefühl von Zusammenhalt und Verbundenheit.

Wie stellt sich euer Team zusammen? Sprecht ihr untereinander z.B. im Training oder beim Spiel sorbisch?

Wir sind insgesamt 25 Spieler, 3 Trainer, 2 Physiotherapeuten und einige weitere Mannschaftsbetreuer. Wir alle haben sorbische Wurzeln und die meisten Teammitglieder sprechen auch Sorbisch. Ich komme aus der Oberlausitz und Sorbisch ist meine Muttersprache, das ist aber nicht bei Jedem der Fall. Vor allem die Sorben aus der Niederlausitz sprechen kaum noch in ihrer Sprache.

Bei der Kommunikation auf dem Fußballplatz kommt es deshalb darauf an, wer Sorbisch sprechen und verstehen kann. Die Mannschaftsbesprechungen finden auf Deutsch statt und auch beim Spielen reden wir meistens auf Deutsch. Sorbisch ist eine Sprache, die eher langsam gesprochen wird. Daher ist es im Spiel praktischer kurze deutsche Kommandos zu rufen.

Trotzdem gibt es einige Mitspieler, mit denen ich nur Sorbisch spreche und denen ich dann auch auf dem Platz auf Sorbisch zurufe. Da kann ich ziemlich schnell Umdenken. Leider muss man sagen, dass die Sprache immer mehr verschwindet und an Bedeutung verliert.

Welche Bedeutung hat das Sorbisch-Sein für Dich, wenn die Sprache aus dem Fokus rückt?

Ich würde nicht immer alles von der Sprache abhängig machen. Die Jungs, die kein Sorbisch sprechen können, sind natürlich trotzdem Sorben. Wir haben sorbische Wurzeln und da spielt die Sprache für mich persönlich keine so große Rolle. Es geht mehr darum, sich der Kultur anzunehmen und diese in sich zu tragen. Es geht um die Identität und sich dessen bewusst zu sein.

Ich bin Sorbe. Und darauf bin ich stolz, sehr sogar. Das habe ich aus meiner Familie mitgenommen, bin damit aufgewachsen und möchte das auch irgendwann mal weitergeben. In der Lausitz ist meine Heimat, ich habe nie Fernweh gehabt, sondern mich hier immer sehr wohl gefühlt. Als Student lebe ich aktuell in Dresden, bin aber trotzdem nicht weit weg vom Heimatdorf. Und auch hier in Dresden merke ich, unter Sorben kennt man sich einfach. Wir sind eine große Gemeinschaft, die zusammenhält.

Bei der Europeada singen wir vor den Spielen die sorbische Hymne, alle gemeinsam auf Sorbisch und das ist ein besonderes Gefühl.

Sorbian National Anthem (Lusatia) – „Rjana Łužica“ – YouTube

Rjana Łužica,

sprawna, přećelna,

mojich serbskich wótcow kraj,

mojich zbóžnych sonow raj,

swjate su mi twoje hona!

Časo přichodny,

zakćěj radostny!

Ow, zo bychu z twojeho

klina wušli mužojo,

hódni wěčnoh wopomnjeća!

Schöne Lausitz,

ehrliche, freundliche,

Land meiner sorbischen Väter,

Paradies meiner glücklichen Träume,

heilig sind mir deine Fluren!

Zukünftige Zeit,

erblühe froh,

ach, mögen aus deinem

Schoß Männer hervorgehen,

würdig ewigen Gedenkens!

Wie hast Du die Europeada 2016 erlebt und worauf freust Du Dich dieses Mal am meisten?

Freuen tue ich mich eigentlich auf alles. Es war einfach unbeschreiblich schön beim letzten Mal in Südtirol. Bei der Eröffnungsfeier werden alle Mannschaften vorgestellt und man lernt alle Teams kennen. Zu Beginn werden die ersten drei Tage dann extrem anstrengend. Das war 2016 schon genauso. Wir spielen direkt 3 Spiele in der Gruppenphase gegen die Pomaken aus Bulgarien, die Zimbern aus Italien und die Roma aus Ungarn. Das wird sehr kräftezehrend.

Danach beginnt dann erst der richtige Spaß. Wir trainieren viel, schauen uns die Spiele von anderen Teams an, machen auch viel Regeneration und unternehmen Aktivitäten mit der Mannschaft. Während des Turniers lernt man dann auch die Spieler der anderen Teams besser kennen. Man unterhält sich über verschiedenen Kulturen, tauscht sich aus und verbringt dort eine gute Zeit.

Meistens sprechen wir dann Englisch, weil man die anderen Sprachen natürlich nicht versteht. Wir haben dort alle dasselbe Ziel und sind aus dem gleichen Grund dort. Klar spielen wir dort jeden Tag Fußball, aber rundherum geht es primär um das Aufeinandertreffen von Kulturen.

Rechnest Du euch fußballerisch Chancen aus bei der Europeada und hast Du da persönliche Ziele?

Wenn wir dieses Jahr die Gruppenphase überstehen, wäre das ein großer Erfolg. Aber die Situation und die anderen Mannschaften sind total schwer einzuschätzen. Wir sind ein gutes Team, aber haben jetzt nur wenige Male zusammengespielt und sind technisch auf unterschiedlichen Niveaus. Trotzdem habe ich selbst den Ansporn jedes Spiel zu gewinnen und immer alles reinzuwerfen. Vom Team erwarte ich nur, dass wir geschlossen auf den Platz gehen und Jeder sein Bestmögliches gibt.

Am Ende ist es aber eigentlich egal, welche Platzierung wir erreichen. Wir werden uns feiern und zusammen eine unvergessliche Zeit verbringen.

Luby Jonaso, přejemy Ći ze serbskej wubranku wjele wuspěcha a wjele wjesela při Europeadźe 2022. Dobry kick w Korutanskej. / Lieber Jonas, wir wünschen Dir mit der sorbischen Auswahl viel Erfolg und viel Spaß bei der Europeada 2022. Gut Kick in Kärnten!

Sorbische Vokabeln rund um den Fußball: 

• Zeit – à čas
• Hintermann – à zadni muž
• Torwart – à wrotar
• Schieß! – à třělej
• Trikotbeschriftung – à Serbja Lusatia
• Sorbische Mannschaft – à Serbske mustwo

Bildrechte: Jörg Stephan