Wie eine neue Schule in Schleife die sorbische Sprache rettet

Wenn man den neuen Schulkomplex in Schleife betritt, kann man nicht anders: Man muss einfach gute Laune haben. Hell, ruhig und modern strahlen die Gebäude eine Atmosphäre aus, in der gern gelernt und gearbeitet wird und in der neue Projekte entstehen können – auf Deutsch und auf Sorbisch. Das neue Schuljahr hat begonnen und wir haben Schulleiter Jan Rehor getroffen, um mit ihm über die neue Schleifer Schule und ihre besondere Umsetzung der Zweisprachigkeit zu sprechen.

Von: Josi Altmann

Weil die Sanierung der alten Gebäude zu teuer gewesen wäre, wurde ein komplett neues Schulzentrum in Schleife erbaut: Neben Grund- und Oberschule gehören eine große Sporthalle und ein Fußballfeld mit Laufbahn zum Schulkomplex, der sich über 36.000 Quadratmeter Fläche erstreckt. Auch für die Sporthochburg Schleife ist die neue Schule ein Gewinn: Fußballerinnen und Fußballer trainieren auf dem Kunstrasen, die erfolgreichen Handballer des SV Lok Schleife nutzen die neue Sporthalle und gerade entsteht ein Faustballfeld.

Das, was die Schule jedoch am meisten auszeichnet, ist die gelebte Zweisprachigkeit: Alle Gebäude sind komplett in Deutsch und Obersorbisch beschildert.

Der neue Schulleiter in Schleife

Jan Rehor (Sorbisch: Jan Hrjehor) ist der neue Schulleiter der Oberschule in Schleife. Der 42-Jährige ist selbst komplett zweisprachig aufgewachsen und fest in der Oberlausitz verwurzelt. Nur für sein Studium in Leipzig verließ er die Heimat, um bald wieder zurückzukehren: „Es gab nie die Option, in Leipzig zu bleiben. Für mich war immer klar, ich gehe wieder zurück. Ich habe bewusst Sport und Sorbisch auf Lehramt studiert, um an einer Schule in der Oberlausitz zu unterrichten.“ Die Familie, seine heutige Ehefrau und Freunde waren der ausschlaggebende Grund. Aber auch der Fußballverein und die sorbischen Traditionen samt seiner Muttersprache wollte Jan Rehor nicht missen. Heute wohnt er in Rosenthal und setzt sich in Schleife in seiner Funktion als Schulleiter mit viel Engagement für die Zweisprachigkeit ein.

Zusammen die sorbische Sprache bewahren

Die Schleiferinnen und Schleifer und viele Menschen rund um Schleife bemühen sich seit mehreren Jahrzehnten um den Erhalt der sorbischen Sprache. Kein Wunder also, dass im Gemeinderat die Entscheidung für eine sichtbare Zweisprachigkeit im neuen Schulkomplex fiel. Jan Rehor findet das großartig: „Ich versuche diese Entscheidung jetzt weiterzuführen und immer weiter auszubauen. Mein Vorteil ist, dass ich Muttersprachler bin und Ideen direkt umsetzen kann. Aushänge, Nachrichten im Amtsblatt oder Ansprachen verfasse ich zum Beispiel immer zweisprachig. So können alle, die Sorbisch sprechen oder lernen, die Sprache im Alltag lesen. Das ist mir sehr wichtig.“
Pro Klassenstufe gibt es an der Schleifer Schule eine A- und eine B-Klasse, wobei die B-Klassen zwischen drei und vier Stunden Sorbischunterricht pro Woche haben. Unterrichten sorbischsprachige Lehrkräfte in einer B-Klasse ein anderes Fach, ist ihnen freigestellt, ob sie zweisprachige Elemente in den Unterricht einbauen. „Ich mache das zum Beispiel im Sportunterricht, indem ich Tafelbilder oder Turnierpläne auch auf Sorbisch verfasse. Das verschafft der Klasse nochmal einen anderen Input, um ihren Wortschatz zu erweitern“, so Rehor. Die meisten Schülerinnen und Schüler, die die Schleifer Schule besuchen, sprechen zu Hause wenig oder gar kein Sorbisch. „Wir versuchen also die Sprache in der Schule weiterzugeben.“

Eine zweisprachige Mensa

Die Freude daran, in der neuen Schleifer Schule etwas zu bewegen, merkt man Jan Rehor an: „Wir sind in einer Aufbruchstimmung. Einiges wird noch ein paar Monate und Jahre dauern, aber wir versuchen die Zweisprachigkeit immer mehr auszuweiten.“ Erst kürzlich hat er sich die Speisepläne der Mensa schicken lassen und diese an die Sorbisch-Lehrkräfte weitergegeben. „Der Speiseplan soll im Sorbischunterricht mit den Schülerinnen und Schülern gemeinsam übersetzt werden und als Aushang in der Mensa präsent sein. Wenn die Kinder und Jugendlichen im neuen Schuljahr in die Mensa gehen, können sie so nachvollziehen, wie das Essen, was sie sich bestellt haben auf Sorbisch heißt“, so der Schulleiter.

Indem Sorbisch zum Teil des Alltags wird, kann der Wortschatz automatisch erweitert werden. Und das steckt an, wie der Schulleiter begeistert berichtet: „Alle fangen an, ein bisschen Sorbisch zu lernen. Eine der Mitarbeiterinnen aus der Küche versucht mir beim Bezahlen den Preis jetzt immer auf Sorbisch zu nennen. Sie hat mir erzählt, dass sie die Sorbischvokabeln von ihren Enkelkindern gelernt hat. Und unser Hausmeister grüßt mich auch auf Sorbisch, selbst wenn er die Sprache sonst nicht versteht“.

„Sorbisch? Na klar.“ ist in der neuen Schule präsent

Wenn man durch die Schulflure schlendert, entdeckt man zudem an so manchem Büro im Türrahmen einen Sticker der „Sorbisch? Na klar.“-Kampagne. „Ich war der erste, der sich den Sticker in den Türrahmen geklebt hat. Aber es hat nicht lange gedauert, bis unsere Grundschuldirektorin Frau Rübesam auch einen Aufkleber an ihrem Büro kleben hatte.“ Die Sticker sind ein weiteres Kommunikationsmittel, denn sie helfen zum Beispiel externen Besucherinnen und Besuchern der Schule dabei zu erkennen, mit welcher Lehrkraft sie auf Sorbisch sprechen können. „Auch für die feierliche Zeugnisübergabe habe ich unter anderem die Stoffbeutel von ,Sorbisch? Na klar.‘ bestellt – alle waren begeistert. Das sind einfach kleinere und größere Mosaike, die dazu beitragen, dass die Sprache lebendig bleibt“, resümiert Jan in unserem Gespräch.

Neues Projekt: Aufkleber mit Ton

2018 rieten Fachberater der Schleifer Schule dazu, die sorbische Sprache in der neuen Schule durch Schilder, Tafelbilder und Aushänge noch mehr zu visualisieren. Als Rehor dann die sogenannten „Hörstifte“ entdeckte, hatte er eine Idee: Gerade arbeitet ein Team an Aufklebern, die die Sprache noch erfahrbarer machen sollen. „Auf den Aufklebern wird zum Beispiel Začiń prošu durje! in sorbischer und in deutscher Sprache Schließe bitte die Tür! stehen. Diesen Aufkleber kann man im Büro oder zu Hause auf die Tür kleben. Neben der richtigen Schreibweise des Satzes oder der Wortgruppe, gibt der Hörstift beim Berühren des Stickers auch die richtige Aussprache wieder“, verrät Jan Rehor. Für das Projekt holt der engagierte Schulleiter Juliana Kaulfürst als Unterstützung dazu, denn die Aufkleber sollen neben Obersorbisch auch das Schleifer Sorbisch enthalten.

Schleifer Sorbisch ist weder Ober- noch Niedersorbisch und liegt eigentlich komplett in der Mitte. Da nur wenige ältere Menschen das Schleifer Sorbisch noch beherrschen, ist es am meisten vom Aussterben bedroht, erzählte uns Juliana Kaulfürst, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Sorbischen Institut in Bautzen, im Interview.

Wir freuen uns für die Schleifer Region und wünschen viel Erfolg bei allen großen und kleinen Projekten zum Erhalt und Gebrauch der sorbischen Sprache!

 

Beitragsbild: Rehor (Sorbisch: Hrjehor) ist der neue Schulleiter des Schleifer Schulkomplexes. (Foto: rw)

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Gibt es etwas, das du dir für die sorbische Sprache als Besonderheit der Lausitz wünschen würdest?

Es wäre schön, wenn das Interesse an der Sprache erhalten bleibt und auch bei Menschen geweckt wird, die in der Lausitz wohnen und die Sprache bisher noch nicht sprechen.
Lubina Jeschke
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