Lange Zeit waren Filme in sorbischer Sprache ein wenig in Vergessenheit geraten. Während sich Tanz, Theater und Musik weiterentwickelten, blieben sorbische Filme auf der Strecke. Dabei sind sie nicht nur etwas für Muttersprachler: Wir haben mit Sylke und Erik darüber gesprochen, warum es sich lohnt, gerade jetzt einen Blick auf die sorbische Film-Szene zu werfen und warum auch du einen sorbischen Film anschauen kannst, ohne die Sprache zu sprechen.
Erik ist freischaffender Filmregisseur und plant für 2021 ein paar neue Filmprojekte. Einige davon sollen auch auf Sorbisch sein. Das Besondere: Er selbst spricht und versteht die Sprache nicht. Warum Erik trotzdem sorbische Filme machen will, erklärt er so: „Ich habe mich immer schon für Nischenthemen interessiert. Und die sorbische Sprache ist ein Thema der Lausitz, das im Bereich Film noch nicht ausreichend aufgegriffen worden ist. Ich finde es einfach eine spannende Herausforderung, hier etwas anzustoßen. Außerdem habe ich durch meine Kindheit auch eine persönliche Verbindung zur sorbischen Sprache: Ich bin in der Nähe von Schleife mit der sorbischen Kultur aufgewachsen; mein Opa war sorbischer Hochzeitsbitter und meine Mutter spricht auch ein wenig Sorbisch.“
Sylke ist Referentin bei der Stiftung für das sorbische Volk und engagiert sich dort für den sorbischen Film im gesamten sorbischen Siedlungsgebiet. Sie ist in Spremberg/Grodk aufgewachsen, kann Niedersorbisch sprechen, hat die Sprache aber erst ab dem 9. Schuljahr an der Sorbischen Erweiterten Oberschule „Marjana Domaškojc“ in Cottbus (heutiges Niedersorbisches Gymnasium Cottbus) erlernt – in ihrer Familie wurde vier Generationen lang kein Sorbisch mehr gesprochen. Sie erzählt: „Sorbisch ist die Sprache meiner Vorfahren und ich freue mich, heute selbst einen Teil dazu beitragen zu können, dass die Sprache auch im Film erhalten bleibt.“
Förderung des sorbischen Films durch das Sorbisch-Deutsche Filmnetzwerk: Łužycafilm
Sylke und Erik erzählen im Gespräch, dass in der Wahrnehmung vieler Lausitzerinnen und Lausitzer der sorbische Film gar nicht mehr richtig existiert. Das soll sich durch das Sorbisch-Deutsche Netzwerk Łužycafilm ändern. In Kooperation und Zusammenarbeit mit der Stiftung für das sorbische Volk und dem Filmverband Sachsen wird die Entstehung neuer sorbischsprachiger Filme gefördert. „Wir wünschen uns sorbische Filme in allen Genres. Von Dokumentarfilmen über Animationen bis hin zu Experimentalfilmen“, sagt Sylke. Das Netzwerk unterstützt Filmschaffende dabei, ihre Ideen zu realisieren und auf eine professionelle Ebene zu heben. Sylke ergänzt: „Wir bieten regelmäßig Workshops mit professionellen Fachkräften an und kommen zweimal pro Jahr zum Austausch untereinander zusammen. Was hierbei entsteht, beeindruckt mich immer wieder.“
Große Chance für die sorbische Sprache: Trend zu Filmen im Original mit Untertiteln
Mitmachen kann wirklich jeder. Sorbisch zu sprechen, ist dafür nicht notwendig. „Ich selbst spreche die Sprache ja auch nicht“, sagt Erik, „es geht vielmehr darum, sich gemeinsam künstlerisch mit der Thematik auseinanderzusetzen.“ Besonders im Streaming-Hype der letzten Jahre sieht Erik dabei eine große Chance für die sorbische Sprache: „Durch das Streamen von Filmen sind wir es zunehmend gewohnt, Filme in ihrer Originalsprache zu schauen. Das ist eine große Chance für eine Sprache wie Sorbisch, die nur von wenigen Menschen aktiv gesprochen wird. Durch die steigende Akzeptanz oder sogar Bevorzugung von Originalsprache mit Untertiteln kann die sorbische Sprache viel mehr Menschen zugänglich gemacht werden.“
Lausitzer FilmSchau: Besondere Aufmerksamkeit für die sorbische Sprache
Seit 2012 wird auch bei der Lausitzer FilmSchau in Trägerschaft des FilmFestivals Cottbus ein Sonderpreis für den sorbischen Film verliehen. Sylke sagt über die Intention des Preises: „Durch den Sonderpreis wurde ein Anreiz geschaffen, sich bewusst filmisch mit dem Thema sorbische Sprache und Kultur auseinanderzusetzen. Während andere Kunstarten wie Musik, Tanz oder Literatur sich mit Bezug zum Sorbischen weiterentwickelt haben, ist der sorbische Film lange Zeit eine Einbahnstraße gefahren. Dem wollten wir mit einer eigenen Kategorie bei der Preisverleihung entgegenwirken.“ Gründe für die Stagnation des sorbischen Films seien zum Beispiel die hohen Produktionskosten oder die geringe Anzahl an Filmstudios nach der Wende. Mithilfe der heutigen Technik ist dies schon weniger ein Problem. So setzten zum Beispiel Sophia Ziesch und Luisa Nawka ihren ersten Kurzfilm „SMY“ (Deutsch: „Wir sind“) mit eigenen Mitteln um und gewannen sogar den Hauptpreis der Lausitzer FilmSchau. In unserem Artikel mit Sophia erfährst du mehr über den Film. Und es trägt Früchte: 2020 wurden allein sechs von zwölf Filmen zu einem sorbischen Thema bei der Lausitzer Filmschau eingereicht.
– Du möchtest mitmachen? Hier geht es zur Webseite des Sorbisch-Deutschen Netzwerks Łužycafilm,
– Das Filmfestival Cottbus findet aufgrund aktueller Begebenheiten vom 8 bis 13. Dezember statt (online vom 8. bis 31. Dezember). Im Rahmen des Filmfestival Cottbus wird auch der Sonderpreis für den sorbischen Film verliehen – wir sind gespannt. Hier findest du alle Infos.
Beitragsbild: Sylke und Erik in Aktion beim Netzwerktreffen. (Foto: Clemens Schiesko, Netzwerktreffen 2018)