Lutki – Geheimnisvolle Geschöpfe der sorbischen Sagenwelt

Bei einem spätherbstlichen Ausflug durch den Spreewälder Kurpark in der Gemeinde Burg stolpert man früher oder später über in Holz und Stein gemeißelte kleine Figuren. Auf dem Kopf tragen sie Zipfelmützen, die an Weihnachtselfen oder Zwerge erinnern. Tatsächlich handelt es sich bei den winzigen Gestalten jedoch um geheimnisvolle Wesen der sorbischen Sagenwelt: Die Lutki oder Lutken (Sorbisch für kleine Leute, Leutchen). Sie sehen aus wie kleine Menschen und sollen einst überirdisch gelebt haben – es heißt, erst als in der Lausitz die ersten Kirchen gebaut wurden, habe sie das Glockenläuten unter die Erde flüchten lassen.

Von: Josi Altmann

Lutki gelten allgemein als freundliche Geschöpfe und erfreuen sich nach wie vor großer Beliebtheit. Das WITAJ-Sprachzentrum hat sogar eines seiner Magazine nach ihnen benannt. Die Zeitschrift bietet neben Ausmalbildern und Geschichten in sorbischer Sprache noch viele andere spannende Inhalte, über die wir mit der Projektmanagerin des WITAJ-Sprachzentrums und „Lutki“-Redakteurin Veronika Butendeich (Weronika Butendeichowa) gesprochen haben.

Frau Butendeich, Sie sind Redakteurin des „Lutki“ Magazins des WITAJ-Sprachzentrums. Wie entstand die Idee und was ist das Ziel?

Das Magazin entstand vor 20 Jahren, als das Sprachzentrum gegründet wurde. Ursprünglich hat Silvia Wenke (Silwija Wjeńcyna) die Zeitschrift „Lutki“ entwickelt, um Eltern, Pädagogen und Kindern regelmäßig Material in sorbischer Sprache in die Hand zu geben.

Eltern sollen vor allem motiviert und unterstützt werden, mit den Kindern Sorbisch zu sprechen.  Wir stellen auch Kitas vor, in denen Sorbisch gesprochen wird. Natürlich geht es auch darum, mit Irrtümern rund um das zweisprachige Aufwachsen aufzuräumen.

Wir widerlegen zum Beispiel das Gerücht, dass die Sprachentwicklung bei zweisprachigen Kindern schwierig ist, weil es zu Verwechslungen im Wortschatz kommen kann.

Durch das Erscheinen alle drei Monate kann man auf aktuelle Themen gut eingehen, grundsätzlich greifen wir aber verschiedene Themen im Magazin auf. Deshalb gibt es auch immer ein Wörterbuch, das zum Heftthema passt. Das Magazin ist kostenlos und wird in Kitas ausgeteilt, wo das Witaj-Konzept gepflegt wird.

Es gibt viele spannende sorbische Sagenfiguren. Warum wurde das Magazin nach den „Lutki“ benannt?

Die Lutki haben ein positives Image bei den Kindern. Es gibt ja auch andere Sagenfiguren wie den Wassermann, der böse dargestellt werden kann. Die Lutki hingegen sind fleißig, großzügig und zuvorkommend. Durch diese Eigenschaften eignen sie sich auch, um mit Kindern über Moral zu sprechen, also zum Beispiel darüber, dass man anderen hilft, wenn sie Hilfe brauchen.

Außerdem sind die Lutki klein – somit können sich Kinder dadurch leicht mit ihnen identifizieren. Sie können sich auch unsichtbar machen, was Kinder natürlich sehr spannend finden. Lustig sind sie auch. Sie sprechen sehr ungewöhnlich, denn sie verneinen alles [Erklärung: Wenn sie Brote backen, backen sie z. B. ein Nicht-Brot]. Insgesamt vermitteln sie positive Emotionen.

Haben Sie eine Geschichte über die Lutki für uns?

Es gibt ganz viele Geschichten und sie werden natürlich auch oft adaptiert. Im Lutki-Magazin haben wir mal eine Geschichte veröffentlicht, in der unser Maskottchen Witko und ein Lutk einen Schatz suchen. Ursprünglich waren sie [die Lutki] auch eine Möglichkeit, sich Rätselhaftes zu erklären. Hat man Tonscherben auf dem Feld gefunden, hat man zum Beispiel gesagt, dass dies Hausrat von den Lutki ist.

Wo gibt es heutzutage in Bautzen noch Berührungspunkte mit Lutki und Kindern?

Sorbische Sagen kommen immer wieder vor. 2020 wurde ein Spielplatz eröffnet, der nach dem Riesen aus der Sage Sprejnik benannt wurde. Und im Sorbischen Museum gibt es z. B. einen Audio-Guide, wo die Sagenfiguren sozusagen die Sprecher sind und durch die Ausstellung führen. Da ist auch ein Lutk dabei.

Welche zusätzlichen Initiativen gibt es im WITAJ-Sprachzentrum, um die sorbische Sprache & Kultur zu fördern?  

Natürlich bemühen wir uns unter anderem immer, neues didaktisches Material für Erzieher und Erzieherinnen zu erstellen. Zuletzt fertigten wir einen Tischwürfel aus Holz mit sorbischen Sprüchen für Kindertagesstätten an. Der Spruch, auf den der Würfel fällt, muss dann aufgesagt werden. Für Erzieher gibt es auch Fortbildungsangebote. Schulen zu unterstützen, ist für uns ein wichtiger Auftrag.

Für alles rund ums Thema Schule gibt es zudem den Fachtag 2plus– eine Gelegenheit, um mit allen ins Gespräch zu kommen, die an sorbischen Schulen arbeiten und die sorbische Sprache fördern wollen. Zuletzt musste die Veranstaltung bedingt durch die Corona-Pandemie ausfallen. Auf der Onlineplattform können sich aber alle Akteure weiterhin austauschen.

Andere Initiativen und Projekte des WITAJ-Zentrums, die der Förderung der sorbischen Sprache dienen:

  • Vorlesewettbewerbe
  • Comic-Workshops mit Stefan Hanusch
  • Synchronisation sorbischer Kinderfilme
  • Familiennachmittag in Crostwitz
  • Sozialarbeit (Jugendarbeit, Familienbildung)
  • Lesenacht, sorbisches Feriencamp, Feriensprachkurs für außerhalb der Lausitz lebende sorbische Kinder

Würden Sie uns zum Abschluss verraten, worauf sich die „Lutki“-Leserschaft in Zukunft freuen darf?

Im neuen Lutki-Heft wird es eine Krabat-Adaption der Autorin Eva Maria Zschornack geben, wo ein kleiner Junge in die Bredouille gerät.

(Bildrechte: Stefan Hanusch)

Wenn du Lust bekommen hast, mehr über die sorbische Sprache zu erfahren und vielleicht selbst einmal einen Sorbisch-Kurs zu besuchen, kannst du dich hier informieren:

  • Sorbisch-Kurse für Erwachsene beim WITAJ-Sprachzentrum
  • Wikibooks zeigt dir Zahlen und obersorbische Sprüche
  • Auf soblex findest du ein Deutsch-Sorbisches Wörterbuch für schnelle Übersetzungen
  • Auf diesen Seiten findest du nützliche Informationen, um Sorbisch zu lernen
  • Diese Seite ist nicht nur etwas für Lehrende. Alle Interessierten können hier in 100 Sekunden sorbische Redewendungen lernen.
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Was wünschen Sie sich für das Schleifer Sorbisch?

Was man jetzt nicht erhält, wird auch in der Zukunft nicht mehr da sein. Jemand, der jetzt die Sprache spricht, sollte sie deswegen auch weitergeben. Denn jede Sprache ist ein Schatz, den wir bewahren sollten.
Juliana Kaulfürst
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