„Je mehr Menschen Sorbisch sprechen, desto lebendiger wird die Sprache!“

Ob aus Italien, Japan, den USA oder Benin – von überall her zieht es Menschen im Sommer ins sächsische Bautzen/Budyšin. Hier findet (in der Regel alle zwei Jahre) der internationale Sommerkurs für sorbische Sprache und Kultur des Sorbischen Instituts statt. Im Jahr 2022 war der Kurs mit 52 Teilnehmern ausgebucht. Darunter auch eine Gruppe von Nachfahren sorbischer Einwanderer aus Texas.

Von: Redaktion "Sorbisch? Na klar."

Der 21. Februar ist der internationale Tag der Muttersprache. In der Lausitz ist es selbstverständlich, wenn dabei auch Sorbisch als Muttersprache genannt wird, doch für unsere Gesprächspartnerin war das eine große Überraschung.

Jodi Smith hat eine große Leidenschaft: das Sorbische. Die pensionierte Chemieingenieurin lebt in Maine, New York, und besuchte im vergangenen Jahr den Sommerkurs in Bautzen: „Ich wusste nicht, dass es noch Dörfer gibt, in denen Sorbisch als Muttersprache gesprochen wird – das hat mich beeindruckt!“

Sorbische Vokabeln auf dem Tisch.
Internationaler Sommerkurs für sorbische Sprache und Kultur des Sorbischen Instituts in Bautzen © Sorbisches Institut (2022)

„Die Sorben sind zwar entfernte Vorfahren – aber es sind Vorfahren.“

Jodis Familie stammt aus Texas; ihre Großmutter ist dort geboren. Ihre Vorfahren kamen im 19. Jahrhundert als sorbische Lutheraner in die USA. Ihr Cousin Charles trägt sogar noch den Familiennamen seiner sorbischen Ahnen: Wukasch. „Natürlich haben sie nach ihrer Auswanderung versucht, die sorbische Sprache zu schützen, aber das hat leider nicht geklappt“, erzählt Jodi.

Im 20. Jahrhundert sei viel von der sorbischen Sprache und Kultur verloren gegangen, auch durch die beiden Weltkriege, die eine antideutsche Haltung hervorriefen. Alles, was mit Deutschland in Verbindung gebracht werden konnte, wurde abgelegt – so auch die sorbische Sprache und Kultur der Auswanderer.

Doch dann, in den 1970er-Jahren, begann plötzlich eine neue Blütezeit für das sorbische Erbe in Texas. Schnell wurde ein Verein gegründet, der im vergangenen Jahr sein 50-jähriges Bestehen feiern konnte: die Texas Wendish Heritage Society. Da „Wendisch“ lange Zeit die vorherrschende Bezeichnung für das Sorbische im Deutschen war, wird der Begriff heute auch im Englischen genutzt.

In der Vergangenheit engagierte sich Jodi häufiger für den Verein und übersetzte beispielsweise alte Zeitungsartikel ins Englische. Hier erfuhr sie auch vom Sommerkurs für sorbische Sprache und Kultur in Bautzen, den sie im Sommer 2022 besuchte.

„Oh, Budyšin!“

Mit dem Lernen der sorbischen Sprache hat sie bereits vor über 30 Jahren begonnen, nicht zuletzt dank ihres Cousins Charles Wukasch, ein ehemaliger Sprachlehrer für Sorbisch und Autor des Buches „A Practical Grammar of Upper Sorbian (Wendish) – Texas Wendish Heritage“. Damals wie heute sei es aber sehr mühsam, nur mit einem Grammatikbuch zu lernen, ohne die Sprache zu üben, sagt Jodi. Auch deshalb habe sie sich für die Reise über den Ozean nach Sachsen entschieden.

Ihr schönstes Erlebnis in Bautzen hatte Jodi bei einem der Tagesausflüge: „An einem Tag waren wir mit dem Bus unterwegs und an einer Haltestelle traf ich einen Mann. Ich habe ihn etwas auf Sorbisch gefragt und seine Antwort verstanden! Obwohl er kein Englisch sprach und ich kein Deutsch, konnte ich ihm sagen, dass ich nach Bautzen wollte. Und er antwortete: ‚Oh, Budyšin!‘ Das war so ein überraschender Moment und dank Sorbisch hatten wir in diesem Moment eine gemeinsame Sprache.“

Sorbisch? Na klar!

„Typisch für die sorbische Kultur sind für mich die kleinen Kuchen, die „tykańc“, die man zur „swačina“, also zur Nachmittagspause isst“, sagt Jodi mit einem Lächeln auf den Lippen und ergänzt: „Im Englischen gibt es kein Wort für Nachmittagspause – der Reichtum der sorbischen Sprache fasziniert mich!“.

Eine weitere sorbische Vokabel, die ihr besonders viel Freude bereitet und die sie im Sommerkurs für sorbische Sprache und Kultur gelernt hat, ist „nukl“, was so viel wie Kaninchen bedeutet: „Jedes Mal, wenn dieses Wort in meinen Karteikarten auftaucht, muss ich lächeln.“

Für die Zukunft hofft sie, dass nicht nur in der Lausitz wieder mehr Menschen Sorbisch sprechen. Auch in Texas gäbe es Familien, die ihren Kindern Sorbisch als Zweitsprache beibrächten, und der Pfarrer der texanischen Gemeinde habe sogar schon zwei Kinder auf dem Schulhof gehört, die miteinander Sorbisch sprachen.

Den Sorbischkurs in Bautzen würde Jodi gerne ein zweites Mal besuchen: „Es gibt Menschen wie in diesem Programm, die die Sprache am Leben erhalten. Deshalb würde ich auf jeden Fall wiederkommen und den Kurs noch einmal machen. Sogar mein Mann, der nicht gerne reist, sagt: „’Vielleicht ist es an der Zeit, dass wir uns Europa und unsere Wurzeln noch einmal anschauen.‘“

Portrait von Jodi Smith
Teilnehmerin Jodi Smith. Bildrechte: Jodi Smith

Infos zum internationalen Sommerkurs für sorbische Sprache und Kultur:

 Falls du Sorbisch lernen möchtest, findest du hier hilfreiche Seiten:

  • Wikibooks verrät dir Zahlen und obersorbische Sprüche
  • Auf soblex findest du ein Deutsch-Sorbisches Wörterbuch für schnelle Übersetzungen
  • Bei sotra kannst du sorbische Texte und Sätze übersetzen lassen
  • Auf diesen Seiten findest du nützliche Informationen, um Sorbisch zu lernen
  • Das WITAJ-Sprachzentrum Bautzen bietet Sorbisch-Kurse für jede Altersklasse
  • Alle Interessierten können auf dieser Seite in 100 Sekunden sorbische Redewendungen lernen.

 

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Gibt es etwas, das du dir für die sorbische Sprache als Besonderheit der Lausitz wünschen würdest?

Es wäre schön, wenn das Interesse an der Sprache erhalten bleibt und auch bei Menschen geweckt wird, die in der Lausitz wohnen und die Sprache bisher noch nicht sprechen.
Lubina Jeschke
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Was wünschen Sie sich für das Schleifer Sorbisch?

Was man jetzt nicht erhält, wird auch in der Zukunft nicht mehr da sein. Jemand, der jetzt die Sprache spricht, sollte sie deswegen auch weitergeben. Denn jede Sprache ist ein Schatz, den wir bewahren sollten.
Juliana Kaulfürst
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