Wo Sorbisch ein Stück Heimat ist

Referendarin Emily Schuster hat für sich den schönsten Beruf der Welt gefunden, wie sie selber sagt. Und dafür will sie auch unbedingt in Schleife bleiben.

Von: Redaktion "Sorbisch? Na klar."

Sächsische Zeitung Weißwasser vom 4. März 2023, S. 15, von Constanze Knappe

Musik ist die Leidenschaft von Emily Schuster. Schon als Kind habe sie Instrumente gespielt: Erst Melodika, dann Akkordeon, später seien noch Klavier und Gitarre hinzugekommen, erzählt die 23-Jährige. Sie habe sich in Musiktheorie weitergebildet und Gesangsunterricht genommen. Denn eigentlich wollte sie Musikerin werden. Doch letztlich sei ihr das zu unsicher gewesen. So entschied sich die junge Frau für eine andere Perspektive. Als Grundschullehrerin will sie Kindern ihre Begeisterung für Musik weitergeben. Derzeit absolviert sie ein anderthalbjähriges Referendariat in der Grundschule Schleife.

Eine aufregende Zeit vor sich

Das erste Halbjahr sei „recht aufregend“ gewesen. In dieser Phase des grundständigen Vorbereitungsdienstes, wie das Referendariat offiziell heißt, habe sie selbstständig unterrichtet und mehr Verantwortung gehabt. Sie fühle sich wohl damit, meint sie. Jetzt habe sie „ein noch aufregenderes zweites Halbjahr“ vor sich. Im Mai/Juni stehen die Prüfungen an. Für die Bewertung werde in ihren Stunden hospitiert, müsse sie eine ausführliche Unterrichtsplanung vorlegen, ein Reflexionsgespräch gehöre ebenfalls zu dem praktischen Teil. In zwei mündlichen Prüfungen sei dann noch nachzuweisen, inwieweit sie die Theorie verinnerlicht habe.

Emily Schuster unterrichtet Deutsch, Mathematik, Sachunterricht und Musik. Nach ihrem Lieblingsfach befragt, zögert sie ein bisschen. Mathe oder Musik, das sei schwer zu sagen. „Jedes Fach hat was für sich“, findet sie. Am liebsten sind ihr wissbegierige Kinder, die neugierig auf was Neues sind. Dass Manche mitunter keine Lust haben, sei ganz menschlich und gehe den Erwachsenen ja ebenso. Da sagt sie sich: „Morgen ist wieder ein neuer Tag, da kann es gut werden.“ Nach dieser Devise betrachtet sie die Kinder vor sich, von denen sie weiß, dass jedes seine ganz speziellen Stärken und Schwächen hat.

Ihre Oma war Krippenerzieherin, dann Kindergärtnerin. Das brachte Emily Schuster auf die Idee, Grundschullehrerin zu werden – zumal sich das mit ihrer Leidenschaft für Musik verbinden lasse. „Erst im Laufe des Studiums habe ich gemerkt, wie viel mehr der Beruf zu bieten hat“, erklärt sie. Inzwischen hat die angehende Lehrerin ihre Berufung gefunden. „Es ist der schönste Beruf, den es gibt“, schwärmt sie. Über die Begründung muss sie nicht lange nachdenken. Es mache ihr Spaß, den Kindern die Freude am Lernen zu vermitteln. „Man bekommt auch viel zurück. Wenn die Kinder sagen, es war heute schön, dann ist das eine tolle Bestätigung“, sagt sie. Abwechslungsreich sei der Schulalltag ohnehin.

Nach dem Studium aufs Land

Ihre Urgroßeltern stammten aus Rohne/Rowno, die Großeltern aus Tzschelln/Čelno waren von der bergbaubedingten Umsiedlung betroffen. Sie selber wuchs in Rohne auf, lernte am Gymnasium in Weißwasser und studierte an der TU Dresden auf Lehramt für Grundschullehrer. In Sachsen werden Pädagogen händeringend gesucht, ganz besonders Landlehrer. Emily Schuster hat gegen eine Stelle an einer Schule im Dorf nichts einzuwenden. Ganz im Gegenteil. Für sie war von Anfang an klar, dass sie nach dem Studium aus der Großstadt zurück in die Lausitz kommen würde. Mittlerweile zog sie zurück, baute mit Unterstützung ihres Vaters ein Haus aus und verlegte ihren Lebensmittelpunkt wieder nach Rohne.

Das ABC lernte sie selber einst in der Grundschule Schleife, wenn auch in dem mittlerweile abgerissenen Schulgebäude. Der im Februar 2020 eingeweihte Deutsch-Sorbische Schulkomplex „Dr. Maria Grollmuß“ in Schleife bietet Grundschule, Hort und Oberschule beste Bedingungen. Die 190 Erst- bis Viertklässler werden von acht Klassen- und sieben Gastlehrern unterrichtet. Im Kollegium wurde sie herzlich aufgenommen. „Ich habe hier die beste Ausbildung, die ich mir nur hätte wünschen können“, sagt sie dankbar. Und der kurze Arbeitsweg sei auch nicht zu verachten.

Sorbischlehrer dringend gesucht

In Kindergarten und Grundschule lernte Emily Schuster Sorbisch. „Danach hat sich leider vieles verwaschen“, bedauert sie. Deshalb nimmt sie seit einem Jahr an einem Online-Kurs der sorbischen Sprache teil. Grundsätzlich haben die sorbische Sprache und Kultur in der Grundschule Schleife einen hohen Stellenwert, werden sorbische Alltagsfloskeln ganz selbstverständlich in jedem Unterricht verwendet.

„Ich möchte das gerne weitertragen. Deswegen sehe ich mich unbedingt hier“, betont die Rohnerin. Sie möchte nach bestandener Prüfung nur allzu gern in Schleife bleiben. Sie hofft, dass das Landesamt für Schule und Bildung (Lasub), welches über ihre Einsatzstelle entscheidet, ihr die Chance dazu gibt, vor allem wegen Sorbisch.

Darauf hofft ebenso die Schulleiterin. „Wenn es nach uns geht, würden wir Frau Schuster gerne behalten. Sie würde uns gut ergänzen“, sagt Petra Rübesam. Sie freut sich über die Verstärkung. Über lange Jahre habe sie zwar immer mal Praktikanten gehabt, Referendare aber so gut wie nie. Dass die neue Kollegin in absehbarer Zeit auch Sorbisch unterrichten könnte, wäre eine große Hilfe. „Ich bin dankbar, wenn uns jemand im aktiven Sprachgebrauch unterstützt. Sorbischlehrer werden dringend gebraucht“, so die Schulleiterin. Sie würde sich wünschen, „dass sich perspektivisch auch noch Andere nach Schleife trauen.“

Auch selber noch viel lernen

Mittwochs nimmt Emily Schuster an einem Seminar zu fachdidaktischen Grundlagen in Löbau teil. Rat zu bekommen und sich mit Anderen auszutauschen, findet sie wichtig. Zwar seien die ersten Schritte in den Lehrerberuf getan, aber noch stehe sie ja ganz am Anfang. Zudem gelte lebenslanges Lernen natürlich auch für Lehrer. Vier Tage die Woche unterrichtet die Referendarin in Schleife. Nach der Schule bereitet sie sich auf den nächsten Tag vor, plant auch schon für die nächste Woche. Sie fertigt selber Lernmaterialien an. „Es ist unglaublich, wie lange man da schnippeln und laminieren kann“, sagt sie schmunzelnd.

Für Hobbys hat Emily Schuster im Moment wenig Zeit. Sie findet ihren Frieden, wenn sie nach der Schule eine große Runde mit dem Hund draußen ist, tankt bei Freunden und Familie auf und fährt gerne zum Eishockey nach Weißwasser/Běła Woda, um ihrem Freund Patrick die Daumen zu drücken. Jetzt freut sie sich erst einmal auf die Osterzeit. Zu Hause ist sie mit sorbischen Osterbräuchen aufgewachsen. Voriges Jahr war sie mit Schülern zum Eierverzieren im Sorbischen Kulturzentrum. „Wenn man erlebt, mit welcher Begeisterung die Kinder mitmachen, das ist ein Stück Heimat für mich“, sagt Emily Schuster. Es ist einer der Gründe, warum sie nicht mehr wegwill.

5 sorbische Vokabeln rund um das Thema Schule:

  • Schule / šula
  • Unterricht / wučba
  • Lehrerin /  wučerka
  • Grundschule / zakładna šula
  • Lernen / wuknyć
  • Bildrechte: Grundschule Schleife

Weitere Informationen zum Lehrerberuf in Sachsen und Schulfächern auf Sorbisch: 

Auf Sorbisch unterrichten? Davon erzählt auch Matej Mark, der Physik und Mathematik auf Lehramt studiert.

Lehrerinnen und Lehrer mit Sorbisch als Muttersprache können verschiedene Schulfächer auf Sorbisch unterrichten. Ansprechpartner ist hier das Landesamt für Schule und Bildung in Bautzen: https://www.lasub.smk.sachsen.de/bautzen-3967.html

Quereinsteiger aus dem slawischen Sprachraum können unter gewissen Bedingungen ebenfalls auf Sorbisch unterrichten. Hier bietet das Landesamt für Schule und Bildung Weiterbildungsangebote im Rahmen seiner Sorbischen Sprachschule an: https://www.lasub.smk.sachsen.de/sorbische-sprachschule-4255.html

Allgemeine Informationen zum Lehrerberuf in Sachsen findest du hier: https://www.lehrerbildung.sachsen.de/lehrerwerden.html

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Gibt es etwas, das du dir für die sorbische Sprache als Besonderheit der Lausitz wünschen würdest?

Es wäre schön, wenn das Interesse an der Sprache erhalten bleibt und auch bei Menschen geweckt wird, die in der Lausitz wohnen und die Sprache bisher noch nicht sprechen.
Lubina Jeschke
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