Witaj! Ein oft gehörter Gruß auf unserer bisherigen Reise. Wir haben bislang wunderbare Landschaften, aufregende historische Städte und spannende Menschen besucht. Diese Vielfalt von Lebensweise, Kultur und Sprache ist einfach beeindruckend.
Witaj! Wer versteht, was das heißt, ist vermutlich toleranter und aufgeschlossener als seine Mitmenschen und hat mit großer Wahrscheinlichkeit die besten Chancen, ganz leicht neue Sprachen zu erlernen. Steile These? Zunächst einmal ist „witaj“ das sorbische Wort für „Willkommen“. Und jemanden willkommen zu heißen, setzt ja prinzipiell Aufgeschlossenheit voraus. „WITAJ“ heißt aber auch ein Projekt, das den frühkindlichen sorbisch-deutschen Spracherwerb fördert. Wie das aussehen kann und welche Vorteile sich daraus ergeben, haben wir drei Menschen gefragt, die es wissen müssen.
Annika, die Soziale
Die 16-jährige Annika hat keine sorbischen Wurzeln, aber Eltern, die von der sorbischen Sprache begeistert sind. Sie wissen, dass es für das Leben und den Beruf eine Bereicherung ist, mehrere Sprachen sprechen zu können. Deshalb ging Annika in einen sorbischen Kindergarten und nun auch auf eine sorbische Oberschule. Mittlerweile ist Sorbisch „wie eine zweite Muttersprache“ für sie und Dank des mehrsprachigen Aufwachsens hatte sie nie Probleme, weitere Sprachen in der Schule zu erlernen.
Auch beruflich haben ihre Eltern Recht behalten, denn Annika möchte in ihrer Heimat der Oberlausitz bleiben und Krankenschwester werden, wo ihr die Mehrsprachigkeit weiterhelfen wird. Vor allem, wenn sie im Krankenhaus mit älteren Menschen in deren Muttersprache kommunizieren kann. „Das ist wie mit Englisch – das ist einfach nützlich. Es ist total schön, wenn man im Krankenhaus auf der Muttersprache mit jemanden spricht“, fasst Annika zusammen. Auch Annikas Freundinnen, die nur Deutsch sprechen, „finden es cool“, dass sie die Sprache spricht. Für sie alle gehört die Sprache einfach zu ihrer Heimat dazu.
Max, der aus Zufall Überzeugte
Max hat einen sorbischen Großvater. Doch zu Hause wird nur Deutsch gesprochen. Dass der 23-Jährige Sorbisch gelernt hat, ist dem Zufall zu verdanken: Seine Eltern hatten für ihn einen Platz in einem sorbischen Kindergarten bekommen. Zur Einschulung waren dann vor allem seine Sorbisch sprechenden Freunde der Grund dafür, dass er auf eine sorbische Grundschule und später auf ein sorbisches Gymnasium gehen wollte. „Am Anfang wollte ich dazugehören und war bemüht, die Sprache möglichst schnell gut zu lernen.
Auf dem Gymnasium gab es bei mir aber auch mal ein paar Zweifel. Ich habe mich zum Beispiel gefragt, warum ich Physik auf Sorbisch lernen musste. Heute bin ich dankbar, so vieles auf Sorbisch gelernt zu haben und finde es wichtig, die Sprache für die Region zu bewahren“, sagt er im Rückblick. Das Sorbische ist für Max ein Teil seiner Identität geworden, worüber er selbst „froh und stolz“ ist – wie auch sein Großvater, der sich nun mit seinem Enkel in seiner Muttersprache austauschen kann. Max freut sich über diese enge Verbindung zu seinen Wurzeln. Darum hat er sich auch entschieden, die Sprache selbst einmal an seine Kinder weiterzugeben.
Denn „das Sorbische an sich zu erhalten, ist etwas Wertvolles. Und dazu einen Beitrag leisten zu können, wäre sehr schön“.
Sylvio, der Aufgeschlossene
Auch der 42-jährige Familienvater Sylvio möchte das Sorbische erhalten, das sich in seiner Familie trotz der sorbischen Wurzeln verloren hatte. Da mehrsprachig aufwachsende Kinder es oft leichter haben, neue Sprachen zu lernen, stand für Sylvio fest, dass er dies seiner Tochter Hannah ermöglichen wollte.
Heute ist er sehr stolz auf seine Tochter, die nach dem sorbischen Kindergarten nun sogar in eine sorbische Muttersprachler-Klasse geht. Dass Sylvio seine Hannah dabei unterstützt, ist für ihn ganz selbstverständlich, auch wenn er ihr bei den Schulaufgaben nur bedingt und mit Wörterbuch helfen kann. Wenn er selbst nicht weiterweiß, geht sie einfach zur Nachbarin. „Man muss die Blockade im Kopf abbauen, zu sagen: Ich kann meinem Kind da nicht helfen. Die Kinder machen das schon“, sagt er zu den Zweifeln mancher deutschsprachiger Eltern.
Und Hannah bestätigt ihn immer wieder darin: Sie kann sich in ihrer Heimat sofort mit jedem unterhalten und mit Leichtigkeit intuitiv zwischen den Sprachen switchen. Für sie eine Selbstverständlichkeit. Zweisprachigkeit macht offener – in vielerlei Hinsicht.
Du willst noch mehr wissen? Weiterführende Informationen zu den Vorteilen von Zweisprachigkeit, dem Witaj-Projekt, Kindertagesstätten und Schulen, die eine sorbisch-deutsche Bildung ermöglichen, gibt es unter anderem auf der Seite des sorbischen Schulvereins:
Sorbischer SchulvereinBeitragsbild: Sylvio macht anderen Eltern Mut. (Foto: privat)