Sorbisch als Markenzeichen: Mit der Hebamme Christina im Dörfchen Schweinerden

Christina erklärt mir, warum Sorbisch ihr dabei hilft, werdende Mamas und ihre Familien zu begleiten und wie sie mit Leidenschaft in einem Beruf, der so alt wie die Menschheit ist, ihre ganz eigene Handschrift hinterlässt.

Von: Stefan Rennert

Am Telefon höre ich tatsächlich zuerst einen Säugling im Hintergrund. Ich erwische Christina aber nicht beim Arbeiten, sondern mit ihrem Neugeborenen mitten in der Elternzeit. Mit 27 ist sie zweifache Mutter und lebt mit ihrer Familie in einem „Häuschen“ in der Oberlausitz in Panschwitz-Kuckau. Dort, im „Dörfchen“ Schweinerden (Sorbisch: Swinjarnja), hat sie mit zwei Gleichgesinnten als Kolleginnen eine Praxisgemeinschaft. Im Gespräch wird mir schnell klar: Ich habe es hier mit einer ganz heimlichen Heldin zu tun, die nicht nur für ihren Ort und deren Familien, sondern mit Herz und Klarheit für ihren ganzen Berufsstand wirkt.

Warum bist du Geburtshelferin geworden?

Mit „einer Menge kleiner Cousinen, Cousins und deren Mamas“ um sich herum, stiftete ihr die eigene Familie schon als Mädchen den Berufswunsch Hebamme. Als junge Teenagerin dann legte sie die Idee mit dem ersten Praktikum gleich im Kreißsaal auf den Prüfstand. Die Leidenschaft war entfacht, denn im Auslandsjahr im südostafrikanischen Malawi nach dem Abitur arbeitete sie zwar hauptsächlich als Lehrerin, fand aber auch dort ihren Weg zu den Hebammen ins Krankenhaus. Der Rest ist Musik im Drei-Jahres-Takt: 2013 die Ausbildung zur Hebamme in Dresden, 2016 fest übernommen in der Stadt im Krankenhaus Sankt Josef Stift. 2019 schließlich fand sie mit zwei anderen Sorbisch-sprechenden Hebammen im Heimatdorf Schweinerden Partnerinnen. Sie gründete die Praxisgemeinschaft Kolebka (Wiege) und legte sich das Sorbische als Markenzeichen gleich in den Namen.

Kolebkas Ziel? „Insbesondere für die sorbischen Frauen da zu sein“, sagt Christina bescheiden und klar. Und nicht nur ich bin beeindruckt: den Anwohnern sind die Frauen im Dorf natürlich bekannt. Sie freuen sich über die Eröffnung und dass Kolebka schon „so jung durchstartet“.

Werdende Mütter freuen sich über das sorbischsprachige Angebot der Praxisgemeinschaft. (Foto: Hebammen Kolebka)

Drei Hebammen für das Dörfchen Schweinerden

Kito, Milena, Syman – so heißen drei Neugeborenen, deren Mütter von den Hebammen der Kolebka begleitet wurden. In der Vorsorge ab der frühen Schwangerschaft kommen die Frauen alle vier Wochen und bis zur Geburt hin in immer kürzeren Abständen in Kurse und in Einzeltreffen zusammen. Dann, nach der Geburt bei den Wochenbettbesuchen, ist Christina sogar bis zu zweimal am Tag bei den Müttern, bis sie sich „nach und nach wieder ausschleicht“.

Eine Geburtenbetreuung zu Hause? Christina klärt mich auf: „Die Hausgeburtshilfe ist in vielerlei Hinsicht so kostbar – und doch vielerorts einfach nicht mehr praktikabel.“ Seit 2015 ist es in Deutschland für freiberufliche Hebammen kompliziert geblieben, Geburten außerhalb des Versicherungsschutzes von Kliniken zu begleiten. Darum bieten auch die Hebammen der Kolebka derzeit keine Hausgeburtshilfe an.

Bis zum Aufbau der Webseite findet ihr Kolebka auf Facebook.
Ihr könnt die Praxisgemeinschaft auch per eMail kontaktieren unter hebammen-kolebka@web.de

ćěšenk heißt Säugling und ćěšić Stillen

Diese Wörter fallen oft in ihrem Arbeitsalltag. Weiter im Top-5-Vokabular: samodruhosć  (Schwangerschaft), hrona (Wehen) und natürlich wažić (das Gewicht wiegen).

Zuhause wuchs Christina zweisprachig auf und wünscht sich insgeheim, Vorbereitungskurse auch mal ganz auf Sorbisch anbieten zu können. Bislang findet das aber aufgrund der Anzahl der Sprecher in den Gruppen nur auf Deutsch statt. Teamsprache für Kolebka ist Sorbisch? Na klar. Für Einzeltermine mit sorbischen Mamas selbstverständlich auch, denn die Begleitung als Hebamme ist „immer ein relativ intimer Einblick in die Familie“. In so einer sensiblen Phase, erklärt Christina, hilft die Muttersprache, die Veränderungen, die die Familien in dieser Zeit durchmachen, am besten zu begleiten.

Hebamme aus Leidenschaft

Was ihr besonders an Ihrem Job gefällt? Flexibilität, denn der Beruf kann sich perfekt an die Bedürfnisse der Lebenssituation anpassen. Im Krankenhaus, Kreißsaal, Schichtdienst, einer gynäkologischen Praxis, freiberuflich oder als Kursleiterin – das Spektrum an Einsatzmöglichkeiten ist breit. Geburten? „Das ist das allerschönste, und ich hoffe, diese bald wieder begleiten zu dürfen.“

 

Beitragsbild: Christina hat sich ihren langjährigen Berufswunsch erfüllt. (Foto: Hebammen Kolebka)

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Gibt es etwas, das du dir für die sorbische Sprache als Besonderheit der Lausitz wünschen würdest?

Es wäre schön, wenn das Interesse an der Sprache erhalten bleibt und auch bei Menschen geweckt wird, die in der Lausitz wohnen und die Sprache bisher noch nicht sprechen.
Lubina Jeschke
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