Mitten in Ostro/Wotrow, rund vier Kilometer südlich von Panschwitz-Kuckau/Pančicy-Kukow in der Lausitz, steht ein kleines architektonisches Meisterwerk. Hier befindet sich die Tischlerei von Marian Wenk, der den Familienbetrieb in dritter Generation fortführt und mit einer Architektin, vier Tischlermeistern, drei Gesellen und zwei Lehrlingen Tischlereikunst auf Weltniveau betreibt und sogar Möbelstücke für Millionäre anfertigt. Sein Erfolgsgeheimnis: sorbischer Fleiß, Liebe zum Detail und ein gutes Stück Heimatverbundenheit.
Die Werkstatt der Tischlerei Wenk in Ostro ist ein echter Hingucker: Die äußere Fassade des Bauwerks zieren braun-graue Leisten, rot-braunes Lärchenholz umrahmt den Eingangsbereich, während die Eingangstür durch rustikales Eichenholz gut hervortritt, umgeben von horizontal eingebetteten Spiegeln. Wer das Gebäude sieht, den wird es nicht wundern, dass Tischlermeister Marian Wenk Aufträge aus der ganzen Welt erhält.
Vor wenigen Jahren war er noch in Osteuropa und arbeitete an einer prachtvollen Eingangspforte, die den Eingang einer Villa schmücken sollte. Kurz darauf rief man ihn nach Barcelona. Die Bestellung war ein vierzehn Meter langes Bankett für eine Yacht in Spezialanfertigung von der Tischlerei Wenk. Aber auch aus der Lausitz und aus Dresden rufen sie ihn an, um beispielsweise Kirchengestühl zu rekonstruieren oder Altäre zu restaurieren. Es läuft also ziemlich gut für eine Tischlerei aus einem Ort mit 279 Einwohnern.
Vom Musiker zum Tischlermeister
Dass seine Arbeit heute so sehr geschätzt wird, ist dabei gar nicht selbstverständlich. Denn zunächst hatte Marian Wenk andere Pläne, als Tischler zu werden. Die Weiterführung der familiengeführten Tischlerei, die seit 1930 besteht ist keine leichte Entscheidung für die Nachkommen des Vaters, Johannes Wenk. Auch für Marian Wenk nicht. „Nach dem Abitur hat man ja den Kopf noch frei und keine Vorstellung, wohin einen das Leben treibt“, erinnert er sich. „Ich wollte eigentlich Musik machen. In die Tischlerei einzusteigen, war am Anfang gar nicht mein Wunsch. Als Kind will man ja meist etwas Eigenes aufbauen. Aber mit jedem neuen Projekt ist meine Liebe zu diesem Handwerk gewachsen“, so der Tischlermeister.
Vier Abschlüsse für höchste Handwerkskunst
Es begannen die Jahre der Ausbildung und des Studiums. Und die hatten es bei Marian Wenk in sich. Er schloss zunächst eine Tischlerlehre ab und studierte danach in Rosenheim Innenausbau. „Der Studiengang war damals noch neu, eine Mischung aus Handwerk und Architektur mit Elementen aus dem Bauingenieurswesen. Es war genau das, was ich gesucht hatte“, erzählt Marian Wenk. Aber der Student wollte mehr wissen, das Handwerk so gut wie möglich verstehen, ja, geradezu perfektionieren. Neben dem Studium absolvierte er deshalb noch einen Meisterkurs der Tischlerei. Sein Meisterstück: eine Kirchenkanzel für die St. Benno-Kirche in Ostro. Als er dann 2012 das Studium als Diplom-Ingenieur abgeschlossen hatte, machte er noch eine Weiterbildung als Restaurator und übernahm die Tischlerei seines Vaters.
Die Entstehungsgeschichte seines Meisterstücks
Es sind vermutlich genau diese Liebe zum Detail und der Wunsch, das Handwerk genau zu verstehen, die den Erfolg der Tischlerei Wenk ausmachen. Aber auch die Liebe zur sorbischen Heimat Ostro. „Es ist einfach ein wunderschöner Ort“, erklärt Marian Wenk. „Der Zusammenhalt ist einmalig. Wir pflegen die sorbischen Bräuche und die Sprache, das verbindet uns sehr stark“, so der Tischlermeister weiter. Darum kam ihm die Inspiration für sein Meisterstück, die Kirchenkanzel, auch bei einer sorbischen Hochzeit: „Ich bin sehr stark mit dem Ort verwurzelt. In einer Scheune fanden wir Überbleibsel der Kanzel. Da kam mir direkt die Idee, diese wieder aufzubauen. Ich wollte damit etwas der Gemeinschaft zurückgeben“. Und das tat Marian Wenk dann mit Leidenschaft und Liebe zum Detail: „Es ist das, was ich so schön finde an meiner Arbeit: Man befasst sich intensiver mit den Stücken. Man denkt sich in die Köpfe hinein, die das damals gebaut haben. Man fragt sich: Warum hat man das so und so gefräst und so gestaltet? Das ist etwas, das man nirgends erlernen kann. Es ist ein ganz intensives Einarbeiten. Das gefällt mir“.
Sorbisch und das Glück der Zweisprachigkeit
So verbunden wie mit dem Ort ist Marian Wenk auch mit der sorbischen Sprache. In Ostro sind rund 85 Prozent der 279 Einwohnerinnen und Einwohner (Zählung Dezember 2020) sorbische Muttersprachler. Auch für den Tischlermeister gehört die Sprache fest zu seinem Werdegang: Er ist zweisprachig aufgewachsen, seine Frau spricht ebenfalls Sorbisch, und sie haben eine sorbische Hochzeit gefeiert. Dass er zwei Sprachen beherrscht, sieht er als Vorteil – auch für seine Arbeit: „Das Menschliche steht natürlich im Vordergrund, und es geht um das gemeinsame Ziel, etwas Tolles zu schaffen. Wenn ich aber zum Beispiel nach Tschechien fahre, um dort zu arbeiten, freuen sich die Menschen über eine Begrüßung in einer slawischen Sprache. Das ist eine schöne Erfahrung“.
Die sorbische Sprache lebt – vor allem in Ostro und ländlichen Gebieten
Die Sorge, dass die sorbische Sprache aussterben könnte, hat Marian Wenk nicht: „In Ostro spürt man das nicht. Auch die jungen Menschen pflegen die Sprache und Bräuche, der Zusammenhalt ist stark“. Eine wichtige Rolle spiele dabei das Umfeld: „Wenn das soziale Miteinander stimmt, dann geht das von alleine, die Sprache am Leben zu erhalten. Die sorbische Sprache ist ein Stück Heimat und gehört wie die Bräuche und Feste einfach dazu. Da kommt man automatisch zusammen, unterhält sich und genießt die gemeinsame Zeit.“ Und mit einem Lächeln fügt er hinzu: „Es ist das Paradies hier. Wer hier wohnt, will so schnell auch nicht weg“.
Bildrechte: Marian Wenk / Tischlerei Wenk
Fünf sorbische Wörter aus dem Tischlerhandwerk:
Tischler – Blidar
Tisch – Blido
Holz – Drjewo
Fenster – Wokno
Tür – Durje