Sorbisch in Uhyst: Ein Ort sucht seine Wurzeln

Uhyst (Delni Wujězd) ist ein Ortsteil der Gemeinde Boxberg im Landkreis Görlitz. Obwohl das Dorf im sorbischen Siedlungsgebiet liegt, ist die sorbische Sprache hier nicht mehr so präsent wie noch vor Jahrzehnten. Das soll sich nun wieder ändern. Wir haben mit dem Ortsvorsteher Frank Knobloch über das sorbische Leben in Uhyst gesprochen.

Von: Julia Mahal

Die Suche nach den sorbischen Wurzeln

Uhysts Geschichte lässt sich anhand von Kirchenchroniken bis ins 14. Jahrhundert zurückverfolgen. Bis ins späte 19. Jahrhundert lebten vor allem Sorben im Ort, seither ist das Sorbische jedoch zunehmend verschwunden.

Für Ortsvorsteher Frank Knobloch ist es eine Herzensangelegenheit, die sorbischen Wurzeln der Gemeinde wieder sicht- und erlebbar zu machen. Schon sein Urgroßvater Gustav Mertin hat sich als Bürgermeister und Landtagsabgeordneter für die Rechte der sorbischen Bevölkerung eingesetzt.

Nun will sein Urenkel das Sorbische Schritt für Schritt wieder in den Alltag zurückholen. „Das geht natürlich nicht von 0 auf 100“, sagt er. „Da muss man die Leute langsam heranführen.“

Eine Vereinsgründung und ein Jubiläum

Um das Vorhaben langfristig zu realisieren, wurde in einem ersten Schritt eine Bürgerinitiative gegründet. Anfang des Jahres erfolgte dann die Gründung eines Vereins. Herr Knobloch übernahm den Vereinsvorsitz.

Dabei ist der Vereinsname „Zahrodka 1921 e. V.“ kein Zufall: Genau 100 Jahre zuvor wurde ein gleichnamiger Verein in Uhyst gegründet, den später die Nationalsozialisten verboten. Die ursprüngliche Vereinsfahne ist heute im sorbischen Museum in Bautzen zu sehen.

Durch die Vereinsgründung im Februar 2021 ergab sich ein neuer Gestaltungsspielraum. Auch die Möglichkeiten für die Zusammenarbeit wuchsen. Kooperationen mit anderen Vereinen im Dorf sowie mit der sorbischen Dachorganisation Domowina folgten. So konnten einige erfolgreiche Projekte umgesetzt werden. Anlässlich des 140jährigen Jubiläums des Uhyster Männerchors wurden etwa auch mehrere sorbische Lieder eingeübt – ein voller Erfolg, wie Herr Knobloch berichtet: „Am Ende haben wir sogar mehr gesungen. Und viele Leute haben sich von früher an die Lieder erinnert.“

„Sorbisches Leben in und um Uhyst“

Dem Engagement der Vereinsmitglieder ist es zu verdanken, dass Uhysts sorbische Geschichte inzwischen in einer Dauerausstellung namens „Sorbisches Leben in und um Uhyst“ zu sehen ist. Dazu hat Frank Knobloch einiges an Material aus verschiedenen Quellen zusammengetragen. Die Ausstellungsstücke wurden auch von den Bürgern bereitgestellt. „Man ist praktisch von Tür zu Tür gegangen“, erzählt Herr Knobloch. „Auch wenn viele kein Sorbisch mehr sprechen, erinnern sie sich noch an die Sprache und haben Gegenstände, die die sorbische Geschichte von Uhyst erzählen.“

Im Uhyster Bürgerhaus finden sich nun unter anderem Fotografien, Dias, Filmmaterial und alte Zeitungsausschnitte, die das sorbische Leben in Uhyst dokumentieren. Damit die Ausstellungsstücke erhalten bleiben, sollen sie nach und nach digitalisiert werden. Ein langwieriger Prozess, der viel Arbeit bedeutet und allein nicht zu schaffen ist. Bei der inhaltlichen Umsetzung der Ausstellung wurde Herr Knobloch unter anderem von dem Kulturwissenschaftler Julian Nyca unterstützt, der selbst auch aus einer sorbischen Familie stammt.

Mit der Ausstellung allein ist es nicht getan

„Man kann das Sorbische nicht losgelöst betrachten“, erklärt Herr Knobloch. Als Ortsvorsteher sind ihm die Herausforderungen in der Region bewusst. „Es muss als Teil vieler anderer kommunaler Themen begriffen werden.“

Wie viele kleine Gemeinden steht Uhyst nicht zuletzt durch den demografischen Wandel und den Strukturwandel vor Herausforderungen. Im Ort gibt es derzeit kein Geschäft für den täglichen Bedarf, die Post wurde geschlossen. Vor allem aber gibt es keine Schule mehr – ein Thema, das Herrn Knobloch besonders beschäftigt. Er möchte zukünftig mehr Angebote für Kinder und Jugendliche ins Leben rufen.

Zukünftige Pläne des Zahrodka 1921 e. V.

Damit alle Interessierten an die sorbische Sprache herangeführt werden können, gibt es in Uhyst seit Kurzem einen Sorbisch-Sprachkurs für Anfänger. Doch dabei soll es nicht bleiben. Um dem Vergessen langfristig entgegenzuwirken, plant der Verein derzeit verschiedene Aktionen und Maßnahmen.

Viele zukünftige Projekte befinden sich noch in der Konzeptionsphase, wie die Entwicklung einer sorbischen Sprachmanufaktur oder die eines Heide- bzw. Regionsmuseums. Für das Museum soll im Idealfall eines der derzeit leerstehenden Gebäude in Uhyst genutzt werden; etwa die alte Schleiferei oder das Adelspädagogium Dannenberghaus [eine Internatsschule, die unter anderem Fürst Pückler besuchte].

„Neues Schloss“ in Uhyst

Doch es gibt auch zahlreiche konkrete Pläne. Ein Vorhaben soll möglichst zeitnah in die Tat umgesetzt werden: „Die Straßenschilder sollen [wieder] zweisprachig werden. Wenn möglich, wollen wir damit noch dieses Jahr anfangen. Derzeit ist nur eines von sechzig Schildern zweisprachig. Das müssen wir jetzt angehen.“

Die zweisprachigen Straßenschilder tun in einem kleinen Schritt genau das, was Herr Knobloch und die anderen Vereinsmitglieder sich vorgenommen haben: Sie machen die sorbische Sprache im Uhyster Alltag wieder sichtbarer.

(Bildrechte: Gemeinde Boxberg/O.L.)

Wenn du Lust bekommen hast, mehr über die sorbische Sprache zu erfahren und vielleicht selbst einmal einen Sorbisch-Kurs zu besuchen, kannst du dich hier informieren:

  • Sorbisch-Kurse für Erwachsene beim WITAJ-Sprachzentrum
  • Wikibooks zeigt dir Zahlen und obersorbische Sprüche
  • Auf soblex findest du ein Deutsch-Sorbisches Wörterbuch für schnelle Übersetzungen
  • Auf diesen Seiten findest du nützliche Informationen, um Sorbisch zu lernen
  • Diese Seite ist nicht nur etwas für Lehrende. Alle Interessierten können hier in 100 Sekunden sorbische Redewendungen lernen.
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Es wäre schön, wenn das Interesse an der Sprache erhalten bleibt und auch bei Menschen geweckt wird, die in der Lausitz wohnen und die Sprache bisher noch nicht sprechen.
Lubina Jeschke
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