Sorbisch als Schlüssel im Notfall: Mit Brandmeister Martin in Schmeckwitz

Wenn Martin im Einsatz ist, muss er einen klaren Kopf bewahren: Der 35-Jährige Schmeckwitzer ist Brandmeister bei der Feuerwehr und ist dann zur Stelle, wenn andere in Not sind. Während unseres Telefonats erzählt er mir von aufregenden Herausforderungen und speziellen Situationen, die er dank der sorbischen Sprache lösen konnte. Für mich ist schnell klar: Martin ist ein echter Alltagsheld der Lausitz.

Von: Julia Mahal

Das Telefon klingelt. Dieses Mal bin ich es und rufe Martin für unser Interview an. Manchmal sitzt Martin aber auch auf der anderen Seite der „112“ und nimmt Notfallanrufe aus der Lausitz entgegen. In nur wenigen Augenblicken muss er dann die Situation erfassen und bestmöglich auf die Anruferin oder den Anrufer eingehen. „Damit ich schnell alle Informationen bekomme, muss ich mich in die Person am Telefon bestmöglich hineinversetzen. In der Aufregung eines Notfalls fällt es manchen schwer, mir klar zu schildern, was passiert ist. Wenn ich im Hintergrund dann manchmal sorbische Wortfetzen höre, switche ich schon mal von Deutsch auf Sorbisch. Vielen fällt es leichter, in der Sprache zu kommunizieren, in der sie auch im Alltag ihre Emotionen mitteilen. Sorbisch ist oft die Familiensprache und im Ernstfall manchmal die dankbarere Wahl“, erklärt mir Martin. Die Notizen aus dem Gespräch tippt er für seine Kolleginnen und Kollegen in Deutsch in den Computer. Zweisprachigkeit ist in seinem Beruf Alltag.

Ein Streich brachte Martin zur Feuerwehr

Zur Feuerwehr kam Martin durch einen geschickt eingefädelten Vorwand der Freiwilligen Feuerwehr in Schmeckwitz: „Sie erzählten mir, dass mein bester Freund Matthias jetzt bei ihnen mitmachen will und dass ich doch auch gleich mit vorbeikommen solle. Als ich Matthias dann bei dem Treffen sah, wusste er von nichts. Sie hatten ihm dieselbe Geschichte nur andersherum erzählt – von dem Tag an blieb ich der Feuerwehr treu“, schmunzelt Martin.

Nachdem Martin seinen Heimatort zwischendurch für zehn Jahre verlassen hatte, kehrte er schließlich zu seiner Familie, seinen Freunden und dem Team der ansässigen Freiwilligen Feuerwehr zurück. Die Nähe zu seiner Heimat, seinen Wurzeln und auch zur sorbischen Sprache wurde ihm erst nach den Jahren in Dresden, Freital und Weißwasser so richtig bewusst: „Früher habe ich selbst manchmal verheimlichen wollen, dass ich auch Sorbisch spreche. Heute weiß ich, wie wichtig die Muttersprache ist und dass sie einen sogar in manch einer Situation retten kann,“ so Martin.

Martin ist bei der Freiwilligen Feuerwehr „Elsa Brändström“ Schmeckwitz durchgestartet.

Wenn du auch zur Freiwilligen Feuerwehr möchtest, informiere dich am besten vor Ort bei der nächstgelegenen Ortsgruppe.

Wenn es drauf ankommt: Sorbisch!

Martin ist Notfallsanitäter, Ausbilder für die Freiwillige Feuerwehr und wird im Dezember 2020 schließlich seine Ausbildung für die Berufsfeuerwehr abschließen. Für den Tausendsassa ist die Feuerwehr nicht nur Beruf, sondern auch Berufung. Bei seinem allerersten Einsatz während eines Praktikums kam ihm seine Muttersprache Sorbisch dabei direkt zugute. Ein älterer Bürger setzte einen Notruf ab und war bei Ankunft der Feuerwehr total unzugänglich; die Kommunikation lief schleppend. Auf die Frage, ob er auch Sorbisch spreche, antwortete der Patient erleichtert mit ja. Auf Sorbisch war dem Herrn schnell geholfen.

In einer anderen Situation war ein junger Mopedfahrer nach einem Unfall auf Deutsch nicht mehr ansprechbar. Erst nach einer harschen Ansprache auf Sorbisch, hat das Unfallopfer reagiert und die Augen geöffnet. Manchmal, so erzählt Martin, ist ein Gespräch in der Muttersprache wie ein Schlüssel in medizinischen Notfallsituationen, der die unsicheren Patientinnen und Patienten Vertrauen schöpfen lässt oder im wahrsten Sinne wachrüttelt. Das erlebe er auch regelmäßig bei seinen russischsprachigen Kolleginnen und Kollegen.

Sorbisch als besondere Fähigkeit

Eines kommt im Telefonat besonders heraus: Martin ist ein echter Teamplayer. Begeistert erzählt er von seinen Kollegen und davon, dass jeder besondere Fähigkeiten hat, die im Noteinsatz weiterhelfen können. Dabei freut sich jede Gruppe über Verstärkung: „Gerade im ländlichen Raum haben viele Angst, dass es sich bei den ortsansässigen Freiwilligen Feuerwehren um eingeschworene Kreise handelt, in die man schlecht hereinkommt. Aber das ist wirklich ein Irrtum. Bei der Feuerwehr freut man sich immer über neue Teamkollegen und alle sind echt super offen, nett und hilfsbereit.“

Was man für die Feuerwehr mitbringen sollte? „Ein dickes Fell, Herzblut, Empathie für die Opfer. Und man sollte nie vergessen, woher man kommt“, sagt Martin und ergänzt: „Ich musste meine Verbundenheit zu der sorbischen Sprache zum Beispiel auch erst wiederfinden. Heute vermittle ich oft zwischen deutschen und sorbischen Muttersprachlern.“ Als Ausbilder spielt der engagierte Brandmeister die sorbische Sprache gern als Trumpf aus: „Wenn sich manche Jugendliche nur in Sorbisch unterhalten haben, kam mal ein ermahnendes Wort auf Sorbisch von mir. Der Aha-Effekt war perfekt und ich konnte die Jungs besser abholen.“ Auf der anderen Seite spricht er auch mit anderen Ausbildern, die sich darüber ärgern, wenn sie das Sorbische nicht verstehen. Martin betont: „Die Lausitz ist zweisprachig und deshalb ist es einfach wichtig, auf allen Seiten Verständnis zu schaffen und einen Mittelweg zu finden.“

Teil der Feuerwehr in der Lausitz werden

In unserem Interview hat mich Martins Engagement, sein Teamgeist und sein Einsatz für die Region wirklich beeindruckt. Er setzt seine Muttersprache als zusätzliche Fähigkeit in seinem Beruf ein und beweist dabei immer das notwendige Fingerspitzengefühl gegenüber den Opfern, aber auch seinem Team gegenüber. Er sorgt zusammen mit den anderen für die Sicherheit der Lausitz und übernimmt Verantwortung. Dabei ist sein Blick immer auf die Situation seiner Patientinnen und Patienten gerichtet: „Nichts ist schöner, als der Moment, wenn ein Licht kommt, und jemand da ist, um dir zu helfen – dieser Gedanke treibt mich an.“

 

Martin hat noch fünf sorbische Vokabeln aus dem Themengebiet Feuerwehr mit uns geteilt:

Die Feuerwehr | wohnjowa wobora
Der Schlauch | hadźica
Bitte rufen Sie die Feuerwehr. | Prošu zazwońće na wohnjowu woboru.
Was ist passiert? | Što je so stało?
Ist jemand verletzt? | Je něchtó zranjeny?

 

Beitragsbild: Martin hat sein Hobby zum Beruf gemacht. (Foto: privat/Martin Noack)

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Gibt es etwas, das du dir für die sorbische Sprache als Besonderheit der Lausitz wünschen würdest?

Es wäre schön, wenn das Interesse an der Sprache erhalten bleibt und auch bei Menschen geweckt wird, die in der Lausitz wohnen und die Sprache bisher noch nicht sprechen.
Lubina Jeschke
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