Kleine Sprache, große Geschichte(n).

Rahel Selnack studiert Sorabistik an der Universität Leipzig

Rund 60.000 Menschen, zwei Sprachen, ein Volk. Dazu eine Heimat voller lebendiger Tradition, uralter Bräuche und ganz viel Miteinander. Stolz ist sie, die nationale Minderheit in der Lausitz – auf seine Geschichte, aber auch auf viel lebendige Gegenwart. Rahel Selnack tut auch etwas für die sorbische Zukunft: Neben ihrem Sorabistik-Studium arbeitet die 22-Jährige beim sorbischen Radioprogramm des MDR.

Von: Linda Napier

»Seit 2016 bin ich Radiomensch, als ich beim sorbischen Jugendradio meine ersten Sachen gemacht habe. Inzwischen hört man mich auf der Morgenstrecke. Irgendwann habe ich aber auch gemerkt: Obwohl ich Muttersprachlerin bin, muss ich mal an meinem Sorbisch arbeiten. Zu Hause in Kamenz sprechen wir nur Deutsch. Die Entscheidung für den Bachelorstudiengang Sorabistik war da goldrichtig. Momentan mache ich zusätzlich noch Namensforschung. Nach dem einen Pflichtsemester – in der Sorabistik gehört die Onomastik (also Namensforschung) immer zum Grundstudium – habe ich gleich noch ein zweites drangehängt, einfach weil das Fach so schön ist. Und es bringt mir auch praktisch viel bei meinem MDR-Job.«

Trotz familiärer Wurzeln war der Weg in die Sorabistik nicht vorgezeichnet. Auch Rahel fragte sich erst einmal: Ist das überhaupt das Richtige für mich? Was kann mir dieses Studium bringen, zumal das so ein kleines Studienfach ist? Die Antwort kam über Ecken – durch den Radiojob:

»Ich habe dort durch Kollegen mitbekommen, dass Leute mit Bezug zum Sorbischen dringend gesucht werden. Viele Lehrkräfte zum Beispiel kommen langsam ins Rentenalter, überall werden junge Leute gebraucht. Ich könnte neben dem Radio sicher noch 20 andere Sachen „mit Sorbisch“ machen: in der Lehre arbeiten, als Übersetzerin, Sprachwissenschaftlerin, in einem Verlag, in der Stiftung für das Sorbische Volk. Es gibt so viele Möglichkeiten! Mir ist aber auch wichtig, dazu beizutragen, dass kulturell und gesellschaftlich erhalten wird, was uns als sorbische Gemeinschaft ausmacht. Und weil ich auf alle Fälle wieder zurück in die Lausitz möchte, ist die Sorabistik für mich perfekt. Ich liebe die dortige Natur und Kultur, und wir Sorben sind einfach sehr heimatverbunden und traditionsbewusst.«

Porträt von Rahel Selnack in der Natur
Porträt von Rahel Selnack in der Natur

Die Sorabistik an der Universität Leipzig ist familiär und überschaubar. Vermittelt werden die zwei sorbischen Sprachen, Obersorbisch und Niedersorbisch, es geht um Literatur und Kultur – ein weltweit einmaliges Angebot, das auf unzählige Berufe vorbereitet. Neun Studierende zählt Rahels Jahrgang, das Betreuungsverhältnis ist traumhaft, man kennt sich und spricht so oft es geht Sorbisch miteinander.

»Wir haben so eine Art internen Wettbewerb, wer welche seltenen Worte kennt. Es ist auch ganz lustig, Begriffe unserer modernen Welt ins Sorbische zu übertragen. Das klappt teilweise richtig gut. Aber die Leute nutzen natürlich trotzdem die eingeführten, oft englischen Bezeichnungen.«

Am Wochenende geht es für die meisten in Fahrgemeinschaften in die Oberlausitz. Außer für zwei Studenten: der eine stammt aus Polen, der andere ist Chinese und studiert als zweite Minderheitensprache neben Sorbisch noch Walisisch. Ihnen allen gemeinsam ist das Studium in einer ungemein attraktiven Stadt und an einer Uni, die vom Start weg viel Unterstützung bietet.

»Neulich hatte ich ein Problem mit meinem BAföG-Antrag, da hat mir der Studierendenrat sofort weitergeholfen. Die Uni Leipzig ist zwar groß, die gegenseitige Unterstützung ist es aber auch!«

Jetzt, wo die Präsenzveranstaltungen wieder losgehen, freut sich Rahel erst einmal über persönliche Begegnungen statt digitaler Distanz und über jede Menge urbanen Input. Spätestens am Wochenende wird es dann ohnehin wieder beschaulicher.

Rahel Selnack stellt sich auf Sorbisch vor:

Das Porträt ist im Rahmen der Kampagne „Pack dein Studium. Am besten in Sachsen.“ entstanden. Das Gespräch führte Björn Sievers. Die Fotos und das Video erstellte Martin Förster.

Weiterführende Informationen:

Falls du Sorbisch lernen möchtest, findest du hier hilfreiche Seiten:

  • Wikibooks verrät dir Zahlen und obersorbische Sprüche.
  • Auf soblex findest du ein Deutsch-Sorbisches Wörterbuch für schnelle Übersetzungen.
  • Das WITAJ-Sprachzentrum Bautzen bietet Sorbisch-Kurse an.
  • Alle Interessierten können auf dieser Seite in 100 Sekunden sorbische Redewendungen lernen.

 

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Es wäre schön, wenn das Interesse an der Sprache erhalten bleibt und auch bei Menschen geweckt wird, die in der Lausitz wohnen und die Sprache bisher noch nicht sprechen.
Lubina Jeschke
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