„Der Erfolg unseres sorbischsprachigen Musicals hat uns selbst ein wenig überwältigt“

Wortwechsel mit Diana Scholze, Lehrerin an einer bilingualen Oberschule in Räckelwitz und Mitinitiatorin des Musicals „Quo vadis – dokal dźeš“

Eine Sprache zu lernen, ist häufig aufwendig und dauert Zeit. Wie es auch Spaß machen kann, eine Sprache mit Hilfe von Musik zu erlernen, zeigt Diana Scholze. Die Lehrerin der bilingualen Oberschule in Räckelwitz hat mit rund 100 Schülerinnen und Schülern und weiteren Lehrkräften das Musical „Quo vadis – dokal dźeš“ mitinitiiert. Wie Sprache verbinden, Spaß machen und einzigartige Erlebnisse schaffen kann, beschreibt sie uns im Interview.

Von: Manuel Wagner

Frau Scholze, Sie sind Lehrerin an einer bilingualen Schule für Sorbisch und Deutsch in Räckelwitz. Im Rahmen eines Projekts haben Sie ein komplettes Musical mit dem Titel „Quo vadis – dokal dźeš“ mit den Schülerinnen und Schülern auf die Beine gestellt. Wie kamen Sie eigentlich auf diese Idee?

Ich bin jetzt seit mehr als zehn Jahren an der Schule und unterrichte hauptsächlich Gemeinschaftskunde, also Politik. Hin und wieder habe ich auch Musikunterricht gegeben. Das hat meine Leidenschaft geweckt, so dass ich jedes Jahr mit Schülerinnen und Schülern Projekte ins Leben gerufen haben. Ich wollte, dass sich alle einbringen, dass sie Freude und Spaß an dem haben, was sie tun. Und wir wollten etwas machen, was zeitgemäß ist, was die Jugendlichen auch anspricht und Sachen aus ihrem Leben thematisiert. Und irgendwann hatten wir die Idee, etwas Größeres zu machen.

Ein ganzes Musical zu inszenieren, das klingt verrückt – im positiven Sinn. Wie schafft man so etwas?

Keine Frage: Das war eine große Aufgabe. Darum haben wir uns auch über ein Jahr Zeit genommen. Ich hatte außerdem das Glück, mit meinen großartigen Kollegen Beno Hoyer und Simon Bjarsch ein Team zu bilden, das das ganze Projekt umgesetzt hat. Und dann waren da noch die Schülerinnen und Schüler. Insgesamt haben wir 180 an unserer Schule, 100 davon waren an dem Musical beteiligt. Das war großartig. Am Ende hatten wir einen gigantischen Chor mit 75 Schülerinnen und Schülern, eine Live-Band mit Lehrern und Freunden. Beim Komponieren wussten wir: Das kriegen wir ohne Hilfe nicht hin. Also haben wir auf bereits existierende sorbische Rock- und Popsongs zurückgegriffen. Zusätzlich haben wir uns Unterstützung vom Komponisten Andreas Spittank geholt. Nur so, als Gemeinschaftsleistung, konnten wir das alles schaffen.

 Nur gemeinsam konnte das Projekt gestemmt werden. (Foto: Schule Räckelwitz)

Das Musical war komplett auf Sorbisch. Was war Ihre Idee dahinter und wie kam das bei den Schülerinnen und Schülern an?

In unserer Schule haben wir drei Gruppen. Die einen sind sorbische Muttersprachler. Andere sind keine Muttersprachler, verstehen die Sprache aber gut. Die dritte Gruppe sind Quereinsteiger, die erst in der Schule Sorbisch lernen. Und das Musical war einfach eine moderne und authentische Methode, dass alle, auch die Quereinsteiger, mit uns Sorbisch singen, sprechen und lernen konnten. Die sorbische Sprache war nie aufgezwungen, es war immer ein lockerer Umgang. Das war ein gigantischer Effekt, dass sie so selbst Lust hatten, die Sprache zu lernen und selbst zu sprechen.

Wie kam das Musical eigentlich bei den Verwandten und Bekannten der Schülerinnen und Schüler an?

Der Erfolg unseres sorbischsprachigen Musicals hat uns selbst ein wenig überwältigt. Die Premiere war letztes Jahr, im September 2019. Wir hatten für die Aufführung eine Sporthalle angemietet und 500 Karten zur Verfügung. Die waren alle in kürzester Zeit ausverkauft. Wir mussten noch Zusatztermine geben, weil die Nachfrage so groß war. Selbst der Sächsische Ministerpräsident, Michael Kretschmer, ließ es sich nicht nehmen, bei der Premiere dabei zu sein.

Du möchtest mal reinhören, wie ein Musical auf Sorbisch klingt? Dann schau dir mal den Trailer zum Musical „Quo vadis – dokal dźeš“ an.

Wenn dich interessiert, was die Schule Räckelwitz sonst so macht, kannst du dich hier informieren.

Sie haben noch ein Kinderbuch übersetzt. Das macht man auch nicht nebenbei. Wie kam es dazu?

Mein Mann und ich sprechen beide Sorbisch und reden auch mit unseren Kindern in der Sprache. Und wie es so ist, lesen wir unseren Kindern abends auch Bücher vor. Eines Tages hatte ich dann Peterson und Findus in der Hand, aber meine Tochter wollte das gar nicht auf Deutsch hören. Also habe ich das quasi simultan in Sorbische übersetzt. Dann hatte ich angeregt, dass wir solche tollen Kinderbücher ins Sorbische übersetzen sollten. Irgendwann war die Bereitschaft da und ich habe den Text übersetzt. Die Premiere des Buches fand auf einem Bauernhof statt und war ein Riesenerfolg. 60 Kinder waren mit ihren Eltern da. Selbst ein paar Hühner liefen herum. Wir haben ein kleines Event daraus gemacht mit Freunden und etwas Essen. Es war fantastisch, ein guter Erfolg.

Warum ist es aus Ihrer Sicht wichtig, dass die sorbische Sprache erhalten bleibt?

Mir liegt diese Sprache einfach am Herzen. Das ist meine Kindheit und auch meine Zukunft. Meine Kinder sprechen auch Sorbisch. Ich will ihnen damit ein Stück meiner Herkunft und Kultur weitergeben. Sorbisch ist zudem einfach ein Teil unseres Landes und auch Teil der europäischen Idee. Vielfalt ist da für mich ein großes Schlagwort. Zweisprachigkeit war für mich immer ein Gewinn. Es fiel mir leicht, eine neue Sprache zu sprechen. Das Sprachverständnis ist einfach ein anderes. Man spricht eine germanische und eine slawische Sprache. Das schult ungemein das Verständnis von Sprachen generell. Ich konnte die Klangbilder immer anders zuordnen. Das habe ich auch bei den Schülerinnen und Schülern bemerkt, die Sorbisch und Deutsch sprechen.

Würden Sie anderen Familien der Region empfehlen, dass sie ihren Kindern Sorbisch beibringen oder sie auf einer bilingualen Schule die Sprache lernen lassen?

Ganz klar: ja! Nicht nur, um die Sprache zu lernen. Die Zweisprachigkeit gehört einfach zu der Gegend. Es ist so schön und bereichernd, dass man hier die Zusammenhänge versteht, dass man die Kultur und alles versteht. Die Dorffeste, alles ist verwoben mit dieser Zweisprachigkeit. Meine Empfehlung: Eltern in der Lausitz sollten das Sorbische als Geschenk sehen und die Möglichkeit nutzen, dass ihre Kinder hier das Sorbische in der Schule lernen können.

Beitragsbild: Das Musical „Quo vadis – dokal dźeš“ war ein voller Erfolg. (Foto: Thomas Scholze)

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Was wünschen Sie sich für das Schleifer Sorbisch?

Was man jetzt nicht erhält, wird auch in der Zukunft nicht mehr da sein. Jemand, der jetzt die Sprache spricht, sollte sie deswegen auch weitergeben. Denn jede Sprache ist ein Schatz, den wir bewahren sollten.
Juliana Kaulfürst
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