Bibliothek als offener Ort des Miteinanders

Die Stadtbibliothek in Kamenz / Kamjenc hat Anfang November nicht nur den sächsischen Bibliothekspreis gewonnen, sondern etabliert sich seit ihrer Neueröffnung im Oktober 2022 zunehmend als kultureller Treffpunkt.

Von: Redaktion "Sorbisch? Na klar."
Marion Kutter (2. von rechts) und ihr Team haben im November 2023 mit ihrem innovativen Konzept den sächsischen Bibliothekspreis gewonnen.

Sie ist in Sachsen eine der modernsten Bibliotheken und konnte mit ihrem innovativen Konzept die Jury des sächsischen Bibliothekspreises überzeugen: die Stadtbibliothek G.E. Lessing in Kamenz / Kamjenc. Mit rund 300 Besucherinnen und Besuchern und 600 bis 800 Ausleihen täglich wird die öffentliche Bücherei im Schnitt dreimal so viel genutzt wie vor ihrer Wiedereröffnung. „Wir haben eine unglaublich gute Resonanz“, berichtet Bibliotheksleiterin Marion Kutter.

Sorbischsprachige Bücher leihen

Mitten im zweisprachigen Siedlungsraum gelegen, weist die Bibliothek mehr als 50 Prozent ihrer Nutzerinnen und Nutzer aus dem direkten sorbischen Umland aus. Sie hat ebenso eine beträchtliche Menge an aktueller sorbischer Literatur im Leihangebot. Da niemand der vier Mitarbeiterinnen  selbst Sorbisch spricht, werden sie vom Domowina-Verlag in Bautzen / Budyšin fachkundig bei der Auswahl aktueller Literatur beraten. Neben Lesestoff für Erwachsene und Kinder gibt es viele deutschsprachige Titel zu Kamenz und Sachsen, zur Kultur und Geschichte der Sorben sowie sorbische Wörterbücher. Und es funktioniert: Rund ein Drittel des Bestands sei immer ausgeliehen, berichtet Marion Kutter.

Bild der Arbeitsecken in der Bibliothek Kamenz.
Die Arbeitsinseln bieten beispielsweise Studierenden hervorragende Möglichkeiten, um sich zurückzuziehen und in Ruhe zu lernen.

Modernität überzeugt

Ziel der Bibliothek sei es, ganz im Lessing’schen Sinn, einen offenen Ort des Miteinanders zu gestalten, sagt Marion Kutter. Ein besonderes Highlight ist deshalb auch die sogenannte „Open Library“. Das Konzept ermöglicht allen Besuchern den freien Zugang ohne Bibliothekspersonal vor Ort – eben auch abends und am Wochenende.

Ab 16 Jahren ist es möglich, sich seinen Bibliotheksausweis für den Zugang und für die Ausleihe freischalten zu lassen, um auch außerhalb der regulären Öffnungszeiten die Bibliothek zu besuchen. Es sei noch zu keinem Zwischenfall gekommen, sagt Marion Kutter. Die ‚Offene Bibliothek‘ ist die erste ihrer Art in der Oberlausitz.

Der vertrauensvolle Umgang miteinander ist auch in der Architektur wiederzufinden. Auf rund 900 Quadratmetern ist die Bücherei ein offener Raum mit einzeln abgetrennten Bereichen, die sowohl auf Deutsch als auch auf Sorbisch gekennzeichnet sind. Arbeitsboxen, Leseinseln, verschiedene Sitzmöglichkeiten und sogar Mario Kart auf der Nintendo Switch machen die Bibliothek zu einem lebendigen Treffpunkt.

Niedrige Bücherregale mit Kinderbüchern und Sitzecke.
Der abwechslungsreiche Kinderbereich begeistert auch die Jüngsten

Die Kluft zwischen den Generationen überwinden

Für die Zukunft stellen sich Marion Kutter und ihr Team weiter die Frage: „Wie kann die Bibliothek noch mehr zu einem Ort werden, der allen Kamenzern, ob groß oder klein, begeistert?“ Es gelte Herausforderungen wie die rasanten Veränderungen in der Medienwelt zu meistern oder aktuelle Informationen zur Verfügung zu stellen, sodass sich alle – ganz im Sinne des Namensgebers Lessing – eine eigene Meinung bilden können.

Mit ihrem Konzept ist die Stadtbibliothek Kamenz / Kamjenc nicht nur Preisträgerin des sächsischen Bibliothekspreises, sondern ebenso ein Ort des Austauschs geworden, der die sorbische Identität und Kultur fest und selbstverständlich integriert hat.

5 Vokabeln rund um das Thema Bibliothek und Bücher: 

  • Roman: roman
  • Bücherei: knihownja
  • Lesen: čitać
  • Ausleihen: wupožčować
  • Besucher: wopytowar

Bildrechte: Stadtbibliothek G.E. Lessing Kamenz

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Es wäre schön, wenn das Interesse an der Sprache erhalten bleibt und auch bei Menschen geweckt wird, die in der Lausitz wohnen und die Sprache bisher noch nicht sprechen.
Lubina Jeschke
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