Beste weibliche Nebenrolle 2020: sorbische Schauspielerin Gabriela Maria Schmeide erhält Deutschen Filmpreis

Wortwechsel mit Gabriela Maria Schmeide, sorbische Schauspielerin.

Es war eine besondere Preisverleihung: Nicht nur, dass es sich um das 70. Jubiläum des Deutschen Filmpreises handelte. Auch mussten die berühmten „Lolas“ am 24. April 2020 per Live-Stream verliehen werden. Mit gleich acht Lolas war der Film „Systemsprenger“ der Abräumer des Abends. Bei einem der Preise schauten wir genauer hin, denn die Auszeichnung für die beste weibliche Nebenrolle ging an die Sorbin Gabriela Maria Schmeide. Film – Theater – Sprache – Gefühl: Wie das zusammenhängt, erzählt uns die Schauspielerin in einem bewegenden Interview.

Von: Manuel Wagner

„Gabriela Maria Schmeide, Sie haben mich vom Hocker gerissen. Vom sehr hohen Hocker. Ich sieze Sie, ja, das ist so eine Art verlegene Bewunderung.“ Das waren Fahri Yardims Worte als er die Nominierung von Gabriela Maria Schmeide für die beste weibliche Nebenrolle verkündete. Wer den Film „Systemsprenger“ gesehen hat, weiß, dass der Preis mehr als verdient an die Ausnahmeschauspielerin ging. Was einige vielleicht noch nicht wussten: Gabriela Maria Schmeides Muttersprache ist Sorbisch. Die Film- und Theaterschauspielerin, die mittlerweile in Bremen lebt, ist in Bautzen geboren und hat dort als Muttersprache Sorbisch gelernt.

Frau Schmeide, herzlichen Glückwunsch zur Lola in der Kategorie „Beste weibliche Nebenrolle“. Wie sind Sie zum Schauspiel gekommen?

Vielen Dank, ich freue mich wirklich sehr. Zum Schauspiel bin ich durch einen Zufall gekommen. Da mir aus politischen Gründen ein Studium verwehrt wurde, arbeitete ich als Souffleuse im Deutsch-Sorbischen Volkstheater in Bautzen. Irgendwann wurde ich quasi einfach mit auf die Bühne gestellt. Ab da nahm alles seinen Lauf.

Haben Sie im Deutsch-Sorbischen Volkstheater auf Sorbisch oder Deutsch gespielt?

Ich habe auf Sorbisch gespielt. Meine Karriere begann also mit dieser Sprache.

Mittlerweile wohnen Sie schon seit vielen Jahren nicht mehr in der Lausitz. Kommt Sorbisch überhaupt noch in Ihrem Alltag vor?

Ja, auf jeden Fall und das ist mir auch wichtig. Ich spreche und telefoniere mit meiner Familie (Eltern, Geschwister, Neffen, Nichten, etc.) auf Sorbisch. Mein Tagebuch schreibe ich zum Beispiel auch in meiner Muttersprache. Oder wenn ich bei Sportübungen innerlich mitzähle, mache ich dies auch auf Sorbisch. Einfach, um diese Sprache für mich selbst zu bewahren.

Wieso ist Ihnen das so wichtig?

Sorbisch ist für mich die Sprache der Gefühle und der Liebe. Ich habe meine ersten Sätze auf Sorbisch gedacht. Ich habe zuerst auf Sorbisch gefühlt, gesprochen und erlebt. Die ersten Worte, die ich gehört habe, waren sorbisch. Wenn ich Sorbisch spreche, kommt damit auch ein Gefühl von Nestwärme einher.

Hatten Sie die wertschätzende Haltung dieser Sprache gegenüber schon immer?

Ja, das habe ich schon als junge Frau so empfunden. Es geht dabei ja nicht nur um die Sprache an sich, sondern auch um die ganzen Emotionen, die damit verknüpft sind. An jede Sprache, die man spricht, sind auch bestimmte Emotionen gebunden. Die Muttersprache hat da natürlich eine besondere Rolle, weil sie einen wie keine andere prägt. Sie gehört zur Persönlichkeit und macht auch die eigene Identität aus. Es ist deswegen schön und wichtig, wenn man seine Muttersprache für sich, aber auch für andere erhält.

Hier findest du alle Preisträgerinnen und Preisträger des 70. Deutschen Filmpreises.

Die Verleihung des Deutschen Filmpreises kannst du dir in der ARD-Mediathek ansehen.

Ist es Ihnen auch wichtig, dass die sorbische Sprache weiterhin in Kunstformen wie Film und Theater einfließt?

Absolut. Es ist wichtig, dass eine Sprache auch in der Kunst ihren Platz bekommt. Aber die Grätsche zur Alltagssprache wird hier immer größer.

Wie meinen Sie das?

Im Alltag wird ein Sorbisch gesprochen, dass sich auch mal mit deutschen oder englischen Wörtern vermischt. Das ist bei der deutschen Sprache ja nicht anders.
Deswegen wird der Unterschied zu der auf der Bühne gebrauchten Sprache immer größer: Auf der Bühne gibt es die Chance, der Sprache abseits von Umgangssprache oder der Sprache des Alltags einen Raum zu geben. Für eine Sprache, die vom Aussterben bedroht ist, hat das Relevanz.

Worin sehen Sie die größte Herausforderung für den Erhalt der sorbischen Sprache im Alltag?

Manchmal ist es einfacher, ein Wort auf Deutsch auszusprechen, weil es einem schneller einfällt. Ich glaube aber, Geduld zahlt sich hier aus: Denn wer sich kurz die Zeit nimmt, um nach einem sorbischen Wort zu suchen, kann dazu beitragen, dass eine Sprache in ihrem vollen Spektrum erhalten bleibt. Noch ist die Sprache da. Noch haben wir die Wörter. Sie müssen auch angewendet werden, damit sie nicht verloren gehen. Dafür ist es wichtig, sich ab und zu Zeit zu nehmen.

Sie würden sich also mehr Zeit im Alltag für die sorbische Sprache wünschen?

Genau, mehr Zeit, aber auch ein Bewusstsein für die Verantwortung, die Sprache auch zuzulassen und zu teilen. Wenn man jemanden hat, mit dem man eine Sprache teilen kann, sollte man demjenigen auch das Geschenk machen. Es gibt sehr viele Beispiele, bei denen das wirklich auch toll klappt. Etwa wenn Eltern die Sprache an ihre Kinder weitergeben oder ihr Kind in einen sorbischen Kindergarten schicken.

Was würden Sie Eltern raten, die sich unsicher sind, ob ihr Kind zweisprachig aufwachsen soll?

Du kannst ein Kind mit mehreren Sprachen umgeben. Es wird sich zurechtfinden. So war das auch bei mir selbst. In den ersten Jahren habe ich nur Sorbisch gesprochen und dann ganz automatisch die deutsche Sprache in der Schule gelernt und perfektioniert. Mit der Mehrsprachigkeit gibt man einem Kind außerdem einen Werkzeugkasten an die Hand, mit dem es später fähig ist, andere Sprachen noch besser zu erlernen. Es lernt dadurch aber auch, sich zurechtzufinden, zuzuordnen und zu reflektieren. Wer nicht versteht, dass Sprache ein Geschenk ist, der vertut eine Chance für sich und für andere.

Liebe Frau Schmeide, zum Schluss noch eine Frage: Theater oder Film?

Theater ist langlebiger. Was über Monate geübt wird, hat mitunter für mehrere Jahre einen Platz auf der Bühne. Beim Film macht man etwas in einem Moment. Und dann steht es fest und bleibt. Ich bin froh, dass ich beides habe, aber zu Hause fühle ich mich beim Theater.

Vielen Dank für das Interview!

Beitragsbild: Gabriela Maria Schmeide wurde mit dem Deutschen Filmpreis ausgezeichnet. (Foto: Gabriela Maria Schmeide)

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Was wünschen Sie sich für das Schleifer Sorbisch?

Was man jetzt nicht erhält, wird auch in der Zukunft nicht mehr da sein. Jemand, der jetzt die Sprache spricht, sollte sie deswegen auch weitergeben. Denn jede Sprache ist ein Schatz, den wir bewahren sollten.
Juliana Kaulfürst
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