Schirachs Bienenzucht: Wie ein Sorbe die Imkerei revolutionierte

Seit Jahrhunderten pflegt das Volk der Sorben eine enge Verbindung zur Bienenzucht. Angefangen bei den sorbischen Waldimkern revolutionierte der obersorbische Pfarrer Adam Gottlob Schirach / Hadam Bohuchwał Šěrach im 18. Jahrhundert die Bienenzucht und prägte die Imkerei weltweit. Die Bewohner der Oberlausitz / Hornja Lužica halten sein Erbe bis heute lebendig. 

Von: Redaktion "Sorbisch? Na klar."

Bienenbäume und Honigernte: Traditionelle Waldimkerei sorbischer Siedler 

Bis ins 18. Jahrhundert betrieben die sorbischen Siedler in der Lausitz vor allem traditionelle Waldimkerei, auch Zeidlerei genannt. Dafür wurden zunächst natürliche, später meist künstliche Baumhöhlen in mehreren Metern Höhe zur Ansiedlung von Bienenvölkern genutzt. Häufig pachteten die Waldimker dafür Bienenbäume von Grundherren.  

Um Honig zu gewinnen, wurden die einzelnen Waben mit einem Zeidelmesser ausgeschnitten und daheim ausgepresst. Damals vermehrten sich die Bienenvölker ausschließlich auf natürlichem Wege durch Schwärmen. Mitte des 18. Jahrhunderts änderte sich das durch das Wirken des evangelischen Pfarrers Adam Gottlob Schirach / Hadam Bohuchwał Šěrach. 

Der Bienenpionier: Adam Gottlob Schirachs revolutionäre Entdeckung 

Adam Gottlob Schirach / Hadam Bohuchwał Šěrach wurde 1724 in Nostitz / Nosaćicy bei Löbau / Lubij als Sohn des dortigen Pfarrers geboren. Er besuchte die Fürstenschule St. Afra in Meißen und studierte in Leipzig Theologie. 1748 wurde er Pfarrer in Kleinbautzen / Budyšink bei Bautzen / Budyšin.  

Als leidenschaftlicher Bienenzüchter machte Schirach 1761 eine revolutionäre Beobachtung. Er fand heraus, dass Bienenschwärme mithilfe isolierter Brutwabenstücke vermehrt werden können. Auf künstlichem Wege kann so aus einem vitalen Bienenvolk ein zweites gewonnen werden. Die Bienen ziehen aus einem Stück der Brutwabe eine neue Königin heran. Diese Entdeckung ermöglichte es den Bienenzüchtern, unabhängig vom Schwarmbetrieb zu werden. Da die Imker damals seiner Beobachtung jedoch zunächst keinen Glauben schenkten, ist diese Art der Ablegerbildung unter dem Namen Schirachscher Betrug in die Literatur eingegangen. 

Bienen fliegen in ihren Bienenstock
Honigproduktion: Ein Bienenvolk in einem Bienenstock

Die erste Bienengesellschaft in der Oberlausitz / Hornja Lužica 

1766 gründet Schirach die ‚physikalisch-ökonomische Bienengesellschaft in der Oberlausitz‘ als erste imkerliche Vereinigung. Sie befasste sich ausschließlich mit der Bienenbiologie und -haltung und konnte bis Mitte des 19. Jahrhunderts mehr als 300 Mitglieder gewinnen. Insgesamt konnte dadurch die regionale Bienenzucht modernisiert werden. Bienenzüchter aus aller Welt nahmen sich die Oberlausitz / Hornja Lužica zum Vorbild.  

Aus der imkerlichen Vereinigung entstand die erste Imkerschule unter der Leitung Schirachs. Sein Werk zur Ablegerbildung wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt, darunter Französisch, Italienisch, Englisch und Russisch. Schirach verstarb mit nur 49 Jahren 1773 in Kleinbautzen / Budyšink.  

Schirachs Erbe: Rundweg, Gedenktafeln und Schirach-Haus 

Die Spuren des Bienen-Pioniers in der Lausitz sind unverkennbar: Das 2007 in Kleinbautzen / Budyšink eingeweihte Schirach-Haus beispielsweise erinnert an die lange Tradition der Imkerei in der Oberlausitz / Hornja Lužica.  

Anlässlich des 300. Todestages wurde 2023 im Ortsteil Kleinbautzen / Budyšink außerdem eine Gedenktafel errichtet, die über das Wirken Schirachs informiert. Weitere Tafeln sollen an seinem Geburtsort in Nostitz / Nosaćicy sowie am Bienenmuseum in Weimar aufgestellt werden. 

Gedenktafel von Gottlob Schirach
Gedenktafel anlässlich des 300. Todestags von Adam Gottlob Schirach in Kleinbautzen / Budyšink (Bild: Tourismusbüro OHTL)

Blühwiesen gegen das Bienensterben 

Um Schirachs Wirken bestmöglich in Ehren zu halten, engagiert sich die Gemeinde Malschwitz / Malešecy, zu der der Ortsteil Kleinbautzen / Budyšink zählt, mit Blühwiesen gegen das Artensterben der Bienenpopulationen. Bienen sind  verstärkt von Aussterben bedroht. Durch industrielle Landwirtschaft mit Pestiziden und Monokulturen, Luftverschmutzung oder Flächenversiegelung verlieren Bienen, aber auch andere nützliche Insekten immer mehr natürliche Lebensräume.  

Blumenbeete vor der Haustür
Dein Beitrag zum Bienenschutz: Blumenbeete vor der Haustür

 

Da Bienen auf Nahrungssuche Pollen von Blüte zu Blüte weitertragen, sind sie laut NABU Bestäuberinnen etwa eines Drittels aller landwirtschaftlichen Nutzpflanzen. Bienen leisten so einen elementaren Beitrag für unser Ökosystem.  Tipps, mit denen du zum Schutz der Bienen beitragen kannst, erhältst du beim BUND.

Schirach-Rundweg gegen Artensterben 

Um Mensch und Natur wieder mehr in Einklang zu bringen, wurde nordwestlich von Bautzen / Budyšin der vier Kilometer lange ‚Schirach-Rundweg‘ eröffnet. Dort erfährst du auf Infotafeln alles über Bienen und andere Insekten.  

Schirach Rundweg
Der Schirach-Rundweg lädt zum Spazieren in der Natur ein (Bild: Tourismusbüro OHTL)

Der Rundweg startet an der Kirche in Kleinbautzen / Budyšink und führt am Steinbruch Pließkowitz entlang. Weitere Informationen zur Strecke sowie Tipps zur Anreise findest du auf dieser Homepage 

Adam Gottlob Schirach hat durch seine Beobachtungen die Bienenzucht revolutioniert und die Oberlausitz / Hornja Lužica zu einem Vorbild weltweit gemacht. Um sicherzustellen, dass sein Erbe in Zukunft Bestand hat, müssen wir Bienen stärker schützen – ein Anliegen, das sicherlich dem Bienen-Pionier ebenfalls sehr am Herzen gelegen hätte. 

 

Zum Abschluss haben wir für dich einige Vokabeln rund um das Thema Imkerei: 

Honig – měd 

Biene – pčołka 

Blühwiese kćějata łuka  

Wabe – płast 

Imker – pčołar 

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Gibt es denn etwas, das du dir für die sorbische Sprache wünschen würdest?

Ich würde mir wünschen, dass die Sprache nicht verloren geht. Manchmal macht es mich echt nachdenklich, wenn drei Freunde, die eigentlich alle Sorbisch können, nur noch Deutsch miteinander sprechen.
DJ Madstep
zum interview

Gibt es etwas, das du dir für die sorbische Sprache als Besonderheit der Lausitz wünschen würdest?

Es wäre schön, wenn das Interesse an der Sprache erhalten bleibt und auch bei Menschen geweckt wird, die in der Lausitz wohnen und die Sprache bisher noch nicht sprechen.
Lubina Jeschke
Zum Interview