2 kunstvoll weiß geschminkte Frauen stehen im weißen Gewand und gelbem Kopftuch in einem Feld bei der Heuernte

Mehr als Folkore - Erik Schiesko bringt sorbische Kultur auf die Kinoleinwand

Erik Schiesko ist Filmemacher und Mitgründer von LUSATIA FILM. Mit seinem Team arbeitet er daran, sorbische Geschichten auf die große Leinwand zu bringen – authentisch und fernab von Klischees. Im Gespräch mit „Sorbisch? Na klar.” spricht er über seine Wurzeln, die Herausforderungen sorbischer Filmproduktion und warum die Lausitz auf der großen Leinwand mehr als nur Kulisse sein sollte.

Eine Sprache wiederfinden: Eriks Weg zur sorbischen Identität

Erik Schiesko lacht, wenn er davon erzählt, wie er seinen Weg zur sorbischen Identität fand. Er begann erst mit Anfang 20 damit, sich intensiver mit seinen Wurzeln zu beschäftigen. Sein Nachname, so hat er recherchiert, stammt aus dem Sorbischen und könnte entweder „Zapfen“ oder „Cousin“ bedeuten. Er ist ein Beispiel dafür, wie vielschichtig Namen sein können, besonders in einer Region wie der Lausitz. Seine familiären Wurzeln reichen tief: Sein Großvater war Hochzeitsbitter und betreute den traditionsreichen „Njepila-Hof“ in Rohne – einen lebendigen Ort sorbischer Kultur, an dem Erik als Kind Ostereier bemalte und Frauen in Tracht erlebte. Diese Szenen, erzählt er, wirkten wie aus der Zeit gefallen. Er erlebte das als eine eigene Welt, in der Sorbisch gesprochen wurde. Er selbst verstand die Sprache nicht, aber sie gab ihm ein Gefühl von Vertrautheit.

Heute lebt er in Leipzig, will aber der Lausitz und der sorbischen Kultur filmisch eine Stimme geben. Mit seiner Teilnahme am Sprachprojekt „Zorja“ lernt er Sorbisch – nicht nur aus persönlicher Motivation, sondern auch, um seine Filmfiguren authentisch führen zu können. „Wenn man sorbische Filme machen will, sollte man die Sprache verstehen.“

Erik Schiesko bei der Filmpremiere von Serbska Utopija 2. (Foto: Lisa Raudnitschka)

„Mit Filmen kann man auf Themen aufmerksam machen.“

„Ein aktueller fiktionaler sorbischer Kinofilm existiert noch nicht“, stellt Schiesko nüchtern fest. Genau das will er ändern – gemeinsam mit dem Team von LUSATIA FILM, einer Initiative, die aus dem Sorbisch-Deutschen Filmnetzwerk Łužycafilm hervorgegangen ist. Die Vision: Filme, die selbstverständlich das sorbische Leben abbilden – ohne Klischees von Trachten, Ostereiern und Volkstänzen. Schiesko und seine Kolleginnen und Kollegen wollen Geschichten erzählen, die mitten im Leben spielen: moderne Komödien, Krimis mit sorbischen Hauptfiguren, Filme mit Haltung.

Netzwerke statt Einzelkämpfer: Wie LUSATIA FILM die Region stärken will

Die Idee: Ein Filmkollektiv gründen, das lokale Geschichten aus der Lausitz umsetzt, aber überregionale Ausstrahlung anstrebt. „In der Lausitz entstehen ein bis zwei Filme alle zwei bis drei Jahre“, sagt Schiesko. „Das muss sich ändern.“
“Ziel der LUSATIA FILM ist es, produzierende Strukturen in der Lausitz aufzubauen, um die Abläufe für Kurz- und Spielfilmprojekte zu verbessern und perspektivisch Film- und Senderförderung in die Region zu holen.” (Wir - LUSATIA FILM) Dass es an Förderstrukturen, medienpolitischem Interesse und schlichtweg an Sichtbarkeit fehlt, ist für ihn offensichtlich. Umso wichtiger sei es, Netzwerke zu schaffen, Treffen zu organisieren, ansprechende Formate zu entwickeln.

Sophia Zieschs Regiedebüt „Ebbe und Flut” erzählt von einer jungen Frau auf der Suche nach ihren sorbischen Wurzeln – eine moderne Interpretation der Wassermann-Sage. (Foto: Erik Schiesko)

Zwischen Subkultur und Alltagssprache

Für Erik Schiesko ist das Sorbische mehr als Folklore – es ist eine kulturelle Eigenheit, die er als Subkultur versteht: „Das ist für mich nichts Völkisches. Sondern etwas, das sich jede und jeder aneignen kann.“ Zwar entstamme das Sorbische mit seinen Tänzen, Trachten und Festen einer stark traditionellen Welt, doch gerade das Aufbrechen dieser Bilder durch neue Einflüsse wie Feminismus und progressive Perspektiven eröffne frische Zugänge. „Vor zehn Jahren hätte ich das noch nicht gemacht“, sagt Schiesko. „Ich wollte nicht der traditionelle Typ sein.“ Heute sieht er das anders – „Gerade die Verbindung von Tradition und Moderne mache den Reiz aus“, sagt Schiesko.

Im Alltag wünscht sich Schiesko mehr Selbstverständlichkeit im Umgang mit der Sprache. Schon wenige Begriffe könnten einen Unterschied machen: „Vielleicht einfach mal zehn Wörter lernen. Wenn man im sorbischen Siedlungsgebiet lebt, sollte man wissen, was ‚Guten Tag‘ oder ‚Danke‘ heißt: Dobry dźeń, Dźakuju so.“ So wie man auch im Dönerimbiss manchmal auf Türkisch ‚Danke‘ sage – als Zeichen von Respekt und kulturellem Austausch.

Doch auch strukturell sieht er Handlungsbedarf: Sorbische Inhalte sind bisher Randerscheinungen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk-Programm. Das müsse sich ändern, fordert Schiesko. Er plädiert für mutige, mehrsprachige Inhalte, die sorbisches Leben realistisch, kreativ und modern erzählen – in der Sprache der Menschen vor Ort.

Ganz normal auf der Kurz- und Langstrecke – einfach auf Sorbisch

In der zweiten Folge von "Serbska Utopija" erweckt LUSATIA FILM sorbische Sagen und Mythen zum Leben. Die fiktionale Serie zeigt, wie traditionelle Geschichten in die moderne Zeit übertragen werden können. (Bild: rbb)

Eines der jüngsten Projekte von LUSATIA Film ist die fiktionale Reihe „Serbska Utopija“, die 2023 gemeinsam mit dem rbb ins Leben gerufen wurde. Die Serie verknüpft verschiedene sorbische Kurzfilme durch eine Rahmenhandlung – mal poetisch, mal humorvoll, stets experimentierfreudig. 2024 ging das Projekt in die zweite Runde: mit drei neuen Episoden und neuen Perspektiven auf eine moderne sorbische Lebenswelt.

Neben der Serienarbeit engagiert sich das Team auf der Langfilmstrecke: Bereits 2023 wurde „Ein Feuerwerk für die Kleinstadt“ in Spremberg abgedreht – der erste Spielfilm unter dem Label LUSATIA FILM, der seit 2024 im Kino läuft. Parallel wird in enger Zusammenarbeit mit der Bürgerschaft von Forst (Lausitz) am Drehbuch für einen zweiten Film gearbeitet, für den die Dreharbeiten ab perspektivisch Ende Sommer 2026 beginnen sollen.

Ob für Kino, Fernsehen oder die freie Wirtschaft – LUSATIA FILM schafft Sichtbarkeit für die sorbische Sprache und Geschichten. Und auch der Nachwuchs bleibt nicht außen vor: Junge Filmschaffende werden mit Projekten wie dem Kurzfilm „Pytaś a namakaś“ gefördert – mit Rat, Tat und echter Begeisterung für das Erzählen neuer sorbischer Geschichten unterstützt.

Sorbische Vokabeln zum Film

Filme – filmy

Premiere – premjera

Vor dem Dreh - Po wjerćenju

In Produktion - w produkciji

Preisverleihung - spožčenje mytow

Du interessierst dich für das Thema Film? 2020 erläuterte Erik Schiesko bereits bei "Sorbisch? Na klar.", weshalb Streaming-Dienste eine Chance für den sorbischen Film sind.


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